Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
waren eben immer an den falschen Tagen hier«, sagte sie.
    Natürlich, dachte ich, du wirst dich gehütet haben, hier herumzuzaubern, solange das Haus voller Elektriker war. In Erwartung ihres Geständnisses sagte ich: »Erzählen Sie mal, ich halte dicht.«
    Sie schien nicht ganz zu verstehen, aber dann erzählte sie: »Schade, wir werden hier um einen Spaß ärmer, der Buttewegg wird seinen Ärger los, die Leute haben nichts mehr zu klatschen, Ihr Chef streicht seinen Schnaps ein, das sind alles Sachen, auf die ich gar nicht wild bin, aber passen Sie mal auf …«
    Zehn Minuten später war ich bei Herrn Buttewegg. »Wir müssen ein Experiment machen, es gibt da gewisse Indizien …«
    Herr Buttewegg war Feuer und Flamme, und er zögerte auch nicht, als ich ihn bat, seine Hofarbeiter anzuweisen, einen schweren Brennereiwagen so stark wie möglich zu beladen und dann ein paarmal damit durch den Torweg zu fahren.
    Der Rest war einfach. Schon als der Wagen das zweiteMal durch die gepflasterte Einfahrt donnerte, flog die Sicherung heraus, und nach drei weiteren Durchfahrten hielt sie wieder. Ich ließ den Wagen so lange fahren, bis sie wieder durchgebrannt war. Dann machte ich mich in aller Ruhe auf die Suche; das war jetzt nur noch eine Geduldsfrage, denn jetzt war der Fehler ja da. Nach zwei Stunden hatte ich ihn gefunden.
    Herr Buttewegg selbst hielt mir die Taschenlampe, als ich das Leitungsstück auswechselte, in dem sich die blankgescheuerten Drähte immer nur dann berührten, wenn das alte Haus stark erschüttert wurde. Und das war nur einmal in der Woche der Fall, freitags, wenn Theodor Butteweggs Produkte zur Bahn gefahren wurden.
    »Und Sie meinen, es passiert nun wirklich nicht wieder?« fragte er aufgeregt.
    »Nein«, sagte ich, »ich weiß, es wird Ihnen und den Leuten fehlen, aber damit ist nun Schluß. Sie hätten gleich meinen Meister rufen sollen.«
    »Indeed«, sagte er, »dies mußte gesagt werden.« Dann scheuchte er die Haushälterin und Sophie, die neugierig zugesehen hatten, mit dem Bemerken fort, für Weiber sei dies nichts, ihr Naturell verschließe ihnen technische Einsichten.
    Als ich fertig war, wollte er wissen, wie denn auf Erden er mir diese Erlösung vergüten könne.
    Ich sagte es ihm; zuerst war er verblüfft, dann grinste er fast unverschämt.
    »Für wen halten Sie Theodor Buttewegg?« sagte er, das sei für ihn doch ein Klacks, und wenn ich jetzt ohne ihn auskomme, so wolle er gleich mal telefonieren.
    Er ging, und ich hörte ihn aus dem Fenster dem Kutscher zurufen, er solle noch einige Male durch den Torweghin- und herfahren, er wolle eine definitive Bestätigung.
    Ich setzte mich auf die Treppe und hörte den Wagen über die Steine rumpeln. Das Licht brannte jetzt, ruhig und wie für alle Ewigkeit.
    Nach einer Weile hörte ich, wie an der Haustür geklingelt und ein Päckchen für Herrn Buttewegg abgegeben wurde. Wenig später überreichte er es mir, schmalzig grinsend und pausenlos redend: »Wunderbar, diese invertierte Methode, wirklich exorbitant; ich denke, Ihr Meister wird die nächste Zeit einen Haufen Kunden …«
    Dann verzog er sich wieder in sein Büro und ans Telefon, vermutlich um aller Welt von meinem Ruhm und seinem Glück zu künden.
    Während ich in seinem Studierzimmer das Millimeterpapier und Edgar Wallaces Werke verstaute, wobei ich jeden Lärm vermied, um die rosa Johanna nicht herbeizulocken, kam Sophie.
    »Wollen Sie noch etwas essen?« fragte sie.
    Aber ich dankte und sagte, nirgendwo hätte ich davon gelesen, daß Königssöhne oder Müllerburschen ans Essen gedacht hätten, nachdem sie auf dem Glasberg waren und dem Drachen den Hals umgedreht hatten.
    Es war das erste Mal, daß ich sie außer Fassung sah.
    »Heh«, sagte sie, »ich bin die Sophie, ich bin nicht Fräulein Buttewegg, oder sind Sie jetzt doch dieser Lionel?«
    Sie zerrte aufgeregt an ihren Strumpfringeln.
    »Das nützt nichts«, sagte ich und gab ihr die Strümpfe, die zu besorgen für Herrn Buttewegg ein Klacks gewesen war.
    Sie nahm sie, sah nach der Größe und sagte Dankeschön.

MITTEN IM KALTEN WINTER
    Mit meinem Meister konnten sie es ja machen. Wenn der etwas von Geld hörte, dann war er dabei. Das heißt, eigentlich müßte man sagen, wenn er etwas von Geld hörte, dann war ich dabei. Denn er war der Meister, und ich war der Geselle. Ich tat die Arbeit.
    Es ist auch nicht ganz richtig, von Geld zu reden. Für Geld tat er es eigentlich schon lange nicht mehr; schließlich war Krieg,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher