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Lebenslänglich

Lebenslänglich

Titel: Lebenslänglich
Autoren: Liza Marklund
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sich wieder dem Bildschirm zu.
    «Obwohl er tot ist?»
    «Obwohl er tot ist.»
    Nina blieb zögernd in der Tür stehen.
    «Da ist noch was», sagte sie. «Alexander …»
    Pettersson seufzte.
    «Er hätte in der Wohnung sein müssen», fügte Nina eilig hinzu. «Ich finde, wir sollten …»
    Der Dienstgruppenleiter seufzte wieder, deutlich ärgerlicher diesmal, und beugte sich zum Bildschirm vor.
    «Wenn die Mutter den Vater erschossen hat, dann ist es doch nur gut für den Jungen, dass ihm dieser Anblick erspart geblieben ist», sagte er, und Nina begriff, dass damit das Gespräch beendet war.
    Sie wandte sich um und wollte gerade gehen.
    «Hoffman», rief Pettersson ihr nach.
    Sie blieb stehen und sah über die Schulter zurück.
    «Brauchst du ein Debriefing?», fragte er, und sein Ton verriet, dass eine psychologische Nachbesprechung das absolut Bescheuertste wäre, um das sie nach
dieser tragischen Geschichte
bitten konnte.
    «Nein danke», sagte sie leichthin und ging zurück in das kleine Zimmer, riss die Bonbontüte auf und verzog das Gesicht, als sie den ersten Drops in den Mund steckte. Die Dinger waren wirklich furchtbar sauer.
    Statt die Spalte
Tatverdächtige
anzuklicken, rief sie das Formular zur Dienstausübung gemäß Paragraf 21 Polizeigesetz auf. Das auszufüllen war leichter, als Julias Namen einzutippen.
    Schließlich hatte sie alles niedergeschrieben, was es niederzuschreiben gab, inklusive der Spontanvernehmung von Erlandsson im zweiten Stock.
    Sie starrte auf den Bildschirm.
    Klickte auf
Tatverdächtige.
    Schrieb hastig
Julia Lindholm.
    Loggte sich aus, beendete das RAR-Programm und verließ schnell den Raum, bevor ihre Gedanken sie einholen konnten.
    «Mama, ich hab Hunger. Gibt's hier Erdnussbutter?»
    Annika schlug die Augen auf und starrte auf einen weißen Vorhang. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Ihr Kopf war schwer wie Stein, und in ihrer Brust befand sich ein großes schwarzes Loch.
    «Und Kakao und Marmelade, gibt's hier Kakao?»
    Das Hotel. Die Rezeption. Das Zimmer. Die Realität.
    Sie drehte sich im Bett um. Ihr Blick fiel auf die Kinder. Sie saßen nebeneinander in ihren Schlafanzügen am Fußende, mit großen Augen und verstrubbelten Haaren.
    «Ist die Erdnussbutter im Feuer verbrannt?», fragte Kalle.
    «Und Poppy», sagte Ellen, und ihre Unterlippe begann zu zittern. «Poppy und Leo und Russy sind auch im Feuer verbrannt…»
    O Gott, was soll ich nur sagen? Was antwortet man darauf?
Sie wickelte sich mühsam aus den verschwitzten Laken, zog die Kinder wortlos an sich und hielt sie fest, ganz fest in den Armen und wiegte sie sachte, während das Loch in ihrer Brust immer weiter wuchs.
    «Bestimmt gibt es Kakao», sagte sie heiser. «Und Marmelade auch. Erdnussbutter wird vielleicht ein bisschen schwieriger.»
    «Mein neues Fahrrad», sagte Kalle. «Ist das auch verbrannt?»
    Der Computer. Die ganzen Mails. Mein Telefonbuch, der Terminkalender. Die Hochzeitsgeschenke. Der Kinderwagen. Kalles erste Schuhe.
    Sie strich dem Jungen übers Haar.
    «Wir sind versichert, wir kriegen alles wieder.»
    «Poppy auch?», fragte Ellen.
    «Und das Haus können wir wieder aufbauen», sagte Annika.
    «Ich will nicht in dem Haus wohnen», sagte Kalle. «Ich will zu Hause wohnen und in meinen richtigen Kindergarten gehen.»
    Sie schloss die Augen und spürte, wie die Welt ins Wanken geriet.
    Die Familie hatte gerade erst einen Monat in der Villa am Vinterviksvägen in Djursholm gewohnt, als das Feuer ausbrach. Ihre alte Wohnung in Kungsholmen hatten sie an ein schwules Pärchen verkauft, das bereits eingezogen war und begonnen hatte, die Küche abzureißen.
    «Jetzt gehen wir frühstücken», sagte sie und zwang ihre Beine über die Bettkante.
    «Also zieht schnell eure Sachen an.»
    Ellen wischte sich die Tränen ab und warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
    «Aber Mama», sagte sie. «Die sind doch auch im Feuer verbrannt.»
    Als Annika zurück auf die Straße gekommen war, nachdem Anne sie nicht hereingelassen hatte, war das Taxi weg gewesen. Sie konnte nicht nach einem anderen telefonieren und hatte auch nichts mehr, um es als Pfand einzusetzen, also war ihr nichts anderes übriggeblieben, als die Kinder zu nehmen und zu Fuß loszugehen. Sie hatte die vage Erinnerung, dass irgendwo in der Nähe ein Hotel sein musste, aber sie irrte eine Dreiviertelstunde im Kreis herum, bis sie es gefunden hatte. Als sie in das Foyer stolperte, war sie kurz davor, zusammenzubrechen. Der Nachtportier hatte
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