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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier
Autoren: Monika Bender
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die Waffe, zielte auf eine Röhre und drückte ab.
Kaum einen Herzschlag später hockten sie alle erneut am Boden und rissen die
Arme über die Köpfe, denn der Querschläger jaulte durch den Flur, um in der
Wand einzuschlagen und ein Stück Putz herauszureißen. Jans Fluch verhallte
nutzlos.
     
    Wenig später
waren beide Türen völlig verbeult. An einer war der Knauf abgebrochen. Thomas
hatte das fertiggebracht. Tony hätte nicht vermutet, dass in dem abgemagerten
Gefährten noch so viel Kraft steckte.
Jetzt saßen sie auf den harten Fliesen - alle außer Hannah, die aussah, als
wollte sie sich durch die Wand drücken. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Seit
Minuten, dabei war jede Sekunde kostbar. Ihre Gegner mussten nur abwarten.
    Tony blinzelte
immer wieder verängstigt zu Lukas Gesicht und Händen, obwohl sie jedes Mal,
wenn sie die Augen öffnete, mit blinden Flecken auf ihrer Netzhaut bestraft
wurde. Lukas sah aus wie ein unvorsichtiger Tourist, der sich einen kräftigen
Sonnenbrand geholt hatte.
    Thomas stemmte
sich als Erster wieder auf die Füße. Mühsam riss er seinen besorgten Blick von
Jan los, der halb bewusstlos schien. Jetzt machte sich in aller Konsequenz
bemerkbar, wie lange der Bluttrinker bereits hungerte. Der Gefährte wandte sich
an Lukas.
„Gib mir dein Messer und heb mich hoch“, verlangte er.
Wenig später saß Thomas auf Lukas Schultern. Tony reichte das lange Jagdmesser
nach oben.
Thomas zwängte die Klinge in die Fuge zwischen Wand und Milchglasdecke. Er
stocherte darin herum, bis es knirschte, bemüht einen Winkel zu finden, in dem
er das Messer als Hebel benutzen konnte. Der Schweiß lief ihm in Strömen übers
Gesicht. Es wurde immer heißer und direkt unter der Decke war er der Strahlung
der Röhren am stärksten ausgesetzt.
„Verdammte Scheiße, das wird nichts!“ Wütend rutschte er von Lukas Schultern.
„Vielleicht schaffen wir es alle zusammen dich hochzuheben?“, schlug er Lukas vor.
Der schüttelte den Kopf. „Geht zur Seite, bis zur Tür. Ich probiere was
anderes.“
    Tony zog sich
widerwillig zurück, denn sie ahnte, was Lukas vorhatte. Wenn es ihm gelang,
würde er sich mit Sicherheit scheußliche Verletzungen zuziehen. Besorgt
beobachtete sie, wie er in die Knie ging, und aus dem Stand sprang.
Lukas Rücken prallte gegen die Glasdecke.
Hannahs verschreckter Schrei ging in dem bedrohlichen Scheppern unter. Sie
schlug die Hände vor den Mund.
Tony wandte sich irritiert um. Dann begriff sie, dass es die Schnelligkeit von
Lukas Bewegungen war, die die Sterbliche erschreckte. Tony hatte ihren
Gefährten aus dem Stand etliche Meter hoch springen sehen. Heute wirkte er
erschöpft, beinahe am Ende seiner Kräfte. Und die Glasdecke zeigte nicht die kleinste
Beschädigung.
„Ich versuch´s noch mal mit Anlauf“, ächzte Lukas. Er hielt seine Schulter.
Jan begann, die Manschetten seines Hemds aufzuknöpfen. „Wickel dir wenigstens
was um den Kopf.“ Unvermittelt erstarrte er in der Bewegung. Er stolperte auf
die Füße und wich von der Tür zurück.
„Da kommt wer. Sterbliche“, zischte er.
„Ich wette, sie beobachten uns“, flüsterte Lukas. Seine Lippen bewegten sich
kaum
Jan runzelte die Stirn. „Wenn sie glauben, wir sind mürbe genug, machen sie
vielleicht die Tür auf.“
„Einen Versuch ist es wert.“
Lukas seufzte theatralisch, ließ sich zu Boden sinken und zog die Ärmel über
seine verbrannten Hände. Er stellte den Kragen hoch und legte die Arme über den
Kopf, als hätte er aufgegeben und versuchte verzweifelt, sich vor der Strahlung
zu schützen.
Tony eilte an seine Seite. Unsicher, inwieweit der Eindruck der Wahrheit
entsprach, wirkte ihre Bestürzung echt. Dann bemerkte sie seinen grimmigen
Ausdruck, die in maximaler Länge ausgefahrenen Fänge. Und sie spürte seine Wut,
die, trotz der stickigen Wärme, die sie umgab, wie ein Fieber von ihm
abstrahlte.
Auch Jan ließ sich wieder zu Boden sinken. Seine Erschöpfung war erschreckend
echt. Thomas beugte sich über seinen Bluttrinker, schirmte ihn mit seinem
Körper gegen die Strahlung ab, so gut es ging. Sie konnte die hervortretenden
Rippen und Wirbelknochen zählen, die sich in Thomas nacktem Rücken
abzeichneten.
Sie bemerkte wie Hannah die beiden finster anstarrte. Sieh mal einer an!
Hatte Thomas auch ihr erzählt, seine Beziehung zu Jan sei eine
Zweckgemeinschaft?
Tonys Blick wanderte zurück zu den beiden Männern. Wem wollte Thomas etwas
vormachen? Und warum?
    Die Sekunden
tropften zäh dahin. Mit
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