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Lebenselixier

Lebenselixier

Titel: Lebenselixier
Autoren: Monika Bender
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schließlich widerwillig das Glas mit Orangensaft entgegen,
das Jeremias ihr aufdrängte. Sie vermied es, dem Bluttrinker, der ihr nicht von
der Seite wich, in die katzengrünen Augen zu sehen. Kein Stäubchen und keine
Knitterfalte verunzierten seinen maßgeschneiderten Anzug. Ihr Blick blieb
missbilligend an dem kastanienbraunen Haar hängen, das ihm über die Schultern
fiel.
    Jeremias
verbindliches Lächeln verrutschte keine Sekunde. Dabei hatte der Jäger vor
nicht mal vierundzwanzig Stunden dafür plädiert, Hannah hinzurichten - zusammen
mit den überlebenden „Sicherheitsleuten“ .
Der Rat war der Empfehlung des Jägers teilweise nachgekommen. Walsers
Helfershelfer mussten bereits tot sein.
    „Diese Frau ist
anstrengender als meine Großtante Wilhelmine“, bemerkte Nora, am anderen Ende
des geräumigen Salons. Sie nippte an ihrem Champagner. Vage reckte sie das Kinn
in Hannah Sauers Richtung.
Tony nickte, obwohl sie keine Vorstellung von Noras Großtante hatte. Ihr Blick
wanderte zu ihrem Gastgeber. Ihm traute Tony problemlos zu, Tante Wilhelmine
gekannt zu haben. In seinem konservativ geschnittenen, dreiteiligen Anzug
erschien er ihr wie der personifizierte englische Adel.
    Nachdem Patrick
Niemeyers Arbeitgeber erfahren hatte, dass Jeremias sich persönlich herbemühen
würde, hatte er darauf bestanden, die Begegnung zwischen Hannah und Erika in
seinen Salon zu verlegen, statt in das kleine Cottage, das Patrick mit seiner
frisch gebackenen Gefährtin bewohnte.
    „Was macht
Patrick noch mal für diesen Kerl?“
Nora folgte Tonys Blick. „Was weiß ich. Da musst du Johann fragen. Er hat
Patrick für Thomas ausfindig gemacht. Es hat ihn nicht mehr als einen Anruf
gekostet.“
Lukas Vater unterhielt sich angeregt mit dem Hausherrn. Lukas und Jan standen
ein wenig abseits und bemühten sich, nicht allzu gelangweilt auszusehen.
    Der Butler machte
grade eine zweite Runde und kredenzte den Gefährtinnen ein Tablett voller
winziger, kunstvoll garnierter Häppchen, als endlich die Tür zum Nebenzimmer
aufging.
Thomas trat ein. An seinem Arm hing eine junge Frau mit blasser,
sommersprossiger Haut. Ihre wasserblauen Augen huschten nervös umher, bis sie
Hannah entdeckte. Erika bleib stehen und die beiden Frauen starrten einander
an.
    Thomas führte die
zierliche Blondine weiter, machte einem jungen Mann Platz, der ihnen folgte. Er
sah aus wie Ende Zwanzig und war annähernd so groß und breit wie Lukas. Seine
dunklen Augen überwachten die Umgebung, als rechnete er jede Sekunde mit einem
tödlichen Anschlag.
Tony verbiss sich ein Grinsen. Patrick war alles andere als erbaut von dieser
Familienzusammenführung.
    Noch immer stand
Hannah wie erstarrt da.
Erika löste sich von Thomas und ging auf ihre Schwester zu.
Tony wusste, die junge Gefährtin hatte sich entsetzliche Vorwürfe gemacht, als
sie über die Ereignisse der vergangenen Monate unterrichtet wurde. Jeremias
hatte sie zwar milde ermahnt, was den leichtsinnigen Umgang mit ihrem Tagebuch
betraf, sie ansonsten aber beruhigt. Der Tod der drei jungen Bluttrinker konnte
keinesfalls ihr angelastet werden.
Ganz sicher würde sie nie wieder schriftliche Aufzeichnungen herumliegen
lassen.
    „Hannah“,
flüsterte Erika, mit den Tränen kämpfend, als sie nur noch einen Schritt vor
ihrer Schwester stand. Sie verschränkte ihre Finger, als wollte sie verhindern,
dass sie sich selbstständig machten.
Es war offensichtlich, ihre natürliche Reaktion wäre, Hannah zu umarmen. Doch
der Ausdruck, mit dem ihre ältere Schwester sie betrachtete, war abweisend.
    „Frau Sauer, Sie
haben so lange nach ihrer Schwester gesucht. Möchten Sie sie nicht begrüßen?“
Zum ersten Mal hörte Tony eine Spur von Unwillen aus Jeremias Stimme heraus.
Sein Blick traf sich mit Thomas. Der Gefährte presste frustriert die Lippen
aufeinander.
    Hannahs Stimme
klang rau. „Ich wollte es zuerst nicht glauben, als sie mir sagten, dass du
noch am Leben bist.“
Erika hob zögernd die Hand, trat noch einen winzigen Schritt näher, um sie auf
Hannahs Arm zu legen.
„Es geht mir gut. Ich bin glücklich. – Ich habe dir doch geschrieben, dass ich
glücklich bin. Dass ich gehen muss, weil du es nicht verstehen würdest.“‘
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Patrick sich zurückgehalten hätte. Es
war sicher nicht der ideale Zeitpunkt vorzutreten und besitzergreifend eine
Hand auf Erikas schmale Schulter zu legen.
„Das ist Patrick.“ Erika zog ihn neben sich. „Ich habe dir auch von
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