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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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das gleich kommen wird. Keiner lässt bei diesen frühwinterlichen Kapriolen das Fenster aus Jux und Tollerei offen stehen!
    Dazu lässt die tapsige Fußspur im jungfräulichen Schnee, die vom Kellerfenster wegführt, den Biermösel messerscharf schließen, dass hier einer keinen Schlüssel gehabt haben und durch das Kellerfenster ausgestiegen sein wird.
    Als Frage notiert er im Hirn: Wer?
    Als Zusatzfrage: Warum?
    Als Fleißaufgabe: Wann?
    Der Biermösel steuert die Triumph weiter um das Architekturerlebnis herum nach hinten zum Eingang, und was er dort vorfindet, lässt ihn gleich noch ein Spur mehr erschaudern:
    Die Flachdachneubauhaustür steht auch sperrangelweit offen, und was soll das anderes bedeuten, als dass wieder etwas Immenses passiert sein muss, was denn sonst!
    Darauf deuten nicht zuletzt die Reifenspuren hin, die sich da tief in den Schotter eingegraben haben, das können nur die durchdrehenden Reifen von einem Flachdachfluchtauto gewesen sein! Der Adler im Biermösel schaut einmal genauer hin und weiß sofort, dass es ein roter Ferrari mit schwachem Überdruck in den Sport-Life-M811-Stahlgürtelreifen von Semperit gewesen sein muss, soll ihm einer das Gegenteil beweisen.
    Dass auch das Garagentor geöffnet ist und der besagte Ferrari vom Schlevsky fehlt, untermauert seine Theorie.
    Als Frage notiert er im Hirn: Was kostet so ein Ferrari?
    Zusatzfrage: Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?
    Der Biermösel muss den Schlevsky jetzt umgehend informieren, dass er in Gefahr ist, wenn er Fenster und Türen so weit offen stehen lässt. Die Pflicht als Ordnungsorgan und Mitglied vom Katastrophenschutzbund gebietet es ihm obendrein, dass er den Schlevsky schleunigst über die eine oder andere Sicherheitsvorkehrung informiert, die eine Gefahr von ihm fern zu halten imstande sein wird.
    Eine erste Ad-hoc-Mutmaßung schließlich ergibt folgenden möglichen Tathergang:
    Der Biermösel kann sich gut vorstellen, dass der Schlevsky die vorige Nacht durchgemacht hat und weitschweifig ausgeschweift ist, sodass er jetzt mit einem gewaltigen Kater im Bett liegt und wahrscheinlich mit sechs, sieben Weibern dazu. Die laute Musik von einer Platte, die hörbar hängt, deutet auch auf nichts anderes hin. „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ hört der Biermösel immer wieder so einen Narren schreien, was soll denn das heißen? Da haben die Radinger Spitzbuam aber wirklich die viel besseren Hits, muss er sich gleich wieder ärgern, und wie um sich aufzumuntern, stimmt er gegen den Gesang aus dem Schlevsky seinem Flachdachneubau eine zünftige Polka an:
    Warum kann denn mein Weibi
nicht einfach sein wie Bier
Es motzt nie, es schimpft nie
es schreit nie: Wasch Geschirr!
Es redt nix, es will nix
Es kauft nie teuer ein
Warum kann denn mein Weibi
nicht einfach wie Bier sein?
    Naja, denkt sich der Biermösel zufrieden und klopft an die Haustür vom Schlevsky, ein Welthit halt!
    Weil aber der Schlevsky, so vermutet der Biermösel, wenig überraschend bei dem ganzen Lärm und nach so einer mutmaßlich durchzechten Nacht natürlich nicht auf sein Klopfen reagiert, wagt er sich auf eigene Faust immer weiter in den grauslichen Neubau vor. Samtpfötig schleicht er sich in die Höhle vom Tiger hinein, in den Vorhof der Hölle, in den Tempel der Ausschweifungen, immer schön das Ohrwascherl an der blöden Musik.
    Er erreicht die Wohnküche und findet dort die Reste von einem mutmaßlichen Würstel-Allerlei im Kühlschrank vor. Danke, denkt sich der Biermösel, die wird er sich jetzt vergönnen. Das wird ihm jetzt gut tun, er hat ja schon so einen Hunger.
    Dann erreicht er das Wohnzimmer, das unbeschreiblich ist. Obwohl: Die Aussicht auf den See hinunter ist schon sehr gewaltig. Da könnte er sehr gut sehr lang und sehr deppert schauen.
    Und wie er endlich das Schlafzimmer erreicht, hört er auf einmal abwechselnd eine sehr schwache Stimme „Ivana“ sagen, dann „Jocelyn“, und dann wieder „Ivana“, und wieder von vorne „Ivana“ und „Jocelyn“.
    Was soll denn das jetzt wieder heißen?, fragt sich der Biermösel.
    Das letzte „Jocelyn“ freilich hört sich schon sehr, sehr schwach an, wie der Biermösel feststellen muss. Und wie er eintritt, weiß er dann wirklich nicht, wovor ihm mehr grausen soll: vor dem fürchterlichen Bett. Oder vor dem zahnlosen Tiger, der komplett ohne Würde darauf herumliegt, schon mit mehr Blut neben dem Körper als in ihm drinnen. Gerade dabei, sich die lange Unterhose anzuziehen, wie es
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