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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
Autoren: Barbara Beuys
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Amsterdam in einer Revue im Theater Carré. Mit »De Jantjes« war er endgültig zum Star geworden. Ob im Flora-Theater, auf der Kleinbühne im Mille Colonnes oder im Theater Carré: Wo Louis David in den zwanziger Jahren in Amsterdam auftrat, jubelte das Publikum und sang seine Refrains laut mit. Ob Lieder, Sketche, kabarettistische Einlagen: Der schlanke Mann im eleganten schwarzen Anzug trug alles mit einer gefühlvollen Leichtigkeit vor, die zu Herzen ging, ohne sentimental zu sein – ein Meister der Kleinkunst.
    Louis Davids: Publikumsliebling als Sänger, Schauspieler, Revue-Star
    Im Juli 1924 kamen rund 500 Stadtplaner, Architekten und Sozialpolitiker aus 25 Nationen zum Internationalen Städtebau-Kongress nach Amsterdam. Ihr zahlreiches Erscheinen war ein Verdienst des sozialdemokratischen Beigeordneten für den Wohnungsbau Monne de Miranda. Dank seiner Tatkraft galt Amsterdam inzwischen als das »Mekka des Wohnungsbaus«.
    Längst war das Transvaalviertel für viele Bewohner des alten Judenviertels zum neuen Zuhause geworden. Straßen und Plätze waren von modernen mehrgeschossigen Backstein-Wohnblocks gesäumt. Die hellen Wohnungen hatten fließend Wasser, WC und Heizung; ein kleiner Balkon, Gemeinschaftsgärten gehörten dazu und manchmal sogar Einbauküchen. An den Bürgersteigen standen Straßenhändler mit ihren hölzernen Karren und riefen ihre Waren aus. In den Geschäften, die am Samstag/Schabbat geschlossen und am Sonntag geöffnet hatten, wurden jüdische Delikatessen und Süßspeisen angeboten. Die Familien der Diamantschleifer hatten mit dem Umzug ein wenig vom Flair des innerstädtischen Judenviertels in das neue Leben verpflanzt. Hier las man Het Volk, die Zeitung der Sozialdemokratie, wählte SDAP und kaufte das Brot beim Genossenschafts-Bäcker.
    Am 1. Mai feierte das Transvaalviertel den internationalen »Tag der Arbeit«. Die sozialistische Jugend tanzte um den Maibaum, der Arbeiter-Chor »Stimme des Volkes« unterhielt die Menge, aus vielen Fenstern hingen rote Fahnen. Ein SDAP -Politiker sprach zu den Genossen und Genossinnen, nicht selten war es Monne de Miranda, der von 1911 bis 1926 hier in der Pretoriusstraat wohnte. 1930 zählte das Viertel mit dem Spitznamen »Das rote Dorf« rund 20   000 Bewohner, etwa fünfzig Prozent von ihnen fühlten sich dem Judentum zugehörig, auch wenn niemand eine Synagoge vermisste.
    Was die Städtebau-Experten des internationalen Kongresses interessiert, ist der einheitliche Baustil des Viertels; alles wie aus einem Guss, aber nicht uniformiert, keineswegs eintönig. Dieser Stil prägt nicht nur das Transvaalviertel sondern alle städtischen Wohnungsbauprojekte Amsterdams und viele private Bauten der zwanziger Jahre. Sie sind das Produkt der »Amsterdamer Schule«, ein Architektur-Stil, der weit über Amsterdam hinaus Aufmerksamkeit findet.
    Michel de Klerk, 1884 in eine bitterarme jüdische Familie im Amsterdamer Judenviertel geboren, ist der führende und kreativste Kopf der jungen Architektur-Revolutionäre. Sie wollten die in ihren Augen starre Monumentalität ablösen, mit der der Architekt Hendrik Petrus Berlage bislang Amsterdam prägte, wie seine Börse am Damrak und seine »Burg der Arbeit« für die Gewerkschaft. 1916 war de Klerk einer von drei Architekten, die mit dem Scheepvaartshuis – immer noch Prins Hendrikkade, aber heute ein Hotel – den Gegenentwurf zum Berlage-Stil schufen. Sechs Reedereien hatten sich direkt am Oosterdok ein Haus zum Arbeiten und Repräsentieren bestellt. Der trotz seiner Ausmaße elegante, schiffsähnliche Bau, dessen Backsteinhülle in unterschiedlichen Farben glänzt, ist außen reich verziert – mit Skulpturen, Naturstein, Glas und eisernen Ornamenten. Die Strenge von Ecken und Kanten wird durch gebogene Linien ersetzt.
    An der westlichen Peripherie Amsterdams im Spaarndammerviertel, wo ein neuer Hafen entstand, sollten für die Werftarbeiter und Eisenbahner in der Nähe ihrer Arbeitsplätze insgesamt 3500 gute und preiswerte Wohnungen gebaut werden. 1918 bekam de Klerk von der Wohnungsbaugenossenschaft »Eigen Haard« – Eigener Herd – den Auftrag für einen großen Wohnblock am Zaanhof. Die Rundanlagen mit Toren und Innenhöfen waren noch nicht fertig, als der Vierunddreißigjährige – wieder im Auftrag von Eigen Haard – auf einem schmalen, dreieckigen Grundstück in der Zaanstraat eine Wohnanlage schuf, die ihn endgültig berühmt machte: Het Ship.
    Wie ein Schiffsmast wächst an der breiten
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