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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
Autoren: Barbara Beuys
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entzündet, durch einen Mitarbeiter der Amsterdamer Gaswerke. (Den olympischen Fackellauf wird die NS -Propaganda für die Berliner Spiele 1936 erfinden.) Erstmals sind Frauen zugelassen, in Leichtathletik und Gymnastik. Erstmals nach dem Ende des Weltkriegs kann Deutschland wieder teilnehmen. Und wohl gewichtiger als das gesamte Sportereignis: Erstmals in Europa wird während der Olympischen Spiele mit großem Werbeaufwand – »herrlich und erfrischend« – in einer seltsamen Flasche ein seltsames braunes Getränk aus der Neuen Welt verkauft: In Amsterdam beginnt im Sommer 1928 der europäische Siegeszug von Coca Cola.
    Die Hauptstadt der Niederlande ist in diesen Wochen ein besonders fröhlicher, internationaler Ort. Am Turm der Westerkerk glühen tausend rote Lampen, Flaggen überall. Allerdings spielt statt der »Pariser Revue«, die man Sportlern, Sportlerinnen und Besuchern bieten wollte, im städtischen Schauspielhaus die Wiener Revue »Alles aus Liebe«. Am festlichen letzten Tag, Sonntag 12. September, ist endlich die Person auf der königlichen Tribüne gegenüber dem Marathontor anwesend, die eigentlich die Olympischen Spiele eröffnen sollte – Königin Wilhelmina. Da das Internationale Olympische Komitee den Eröffnungstermin nicht mit ihr abgesprochen hatte, war sie beleidigt und brach demonstrativ zu einer Reise nach Norwegen auf. Die achtundvierzigjährige Wilhelmina konnte stur sein, Diskussionen liebte sie ohnehin nicht. Andererseits sollte niemand der Königin Pflichtvergessenheit vorwerfen. So erschien sie zur Abschlussfeier im Stadion, nicht ohne wenig später im vertrauten Kreis zu seufzen, »was waren die Olympischen Spiele doch für eine Zeitverschwendung«. Eine gute Gelegenheit, Königin Wilhelmina und ihre Bedeutung für Amsterdam in den Blick zu nehmen.
    Die königliche Sturheit hatte gute Gründe. Als die Achtzehnjährige im Jahre 1898 Königin wurde, war sie umgeben von Männern – bei Hofe und in der Politik –, die mindestens ihre Väter sein konnten, und die entschlossen waren, die junge Frau zu lenken und zu beeinflussen. Wilhelmina jedoch war zutiefst überzeugt, wie ihre Vorgänger aus dem Haus Oranien von Gott für dieses Amt berufen zu sein. Das Königreich der Niederlande war eine Monarchie mit demokratischer Verfassung; es regierten gewählte Politiker. Die Königin respektierte das. Aber sie ging manchmal bis an die Grenzen des Systems, um Einfluss auf den politischen Prozess zu nehmen.
    Als 1909 ihre Tochter Juliana geboren wurde, war die Thronfolge gesichert und Wilhelmina fühlte sich von den Pflichten einer Ehe befreit, die nicht glücklich war. Ihr Ehemann, Prinz Heinrich, hatte Affären mit blonden Damen aus dubiosem Milieu und bezahlte schon mal mit ungedeckten Schecks oder gar nicht. Als die Königin 1915 an ihren Ersten Minister die unerhörte Frage stellte, ob eine Scheidung möglich sei, warnte der vor »unabsehbaren Schwierigkeiten« und appellierte an ihr Pflichtgefühl. Das überwog, aber im Palais in Den Haag galt für Wilhelmina die Maxime »Getrennt von Tisch und Bett«. Zwar trat das Königspaar in der Öffentlichkeit weiterhin gemeinsam auf; doch zu Festlichkeiten an entfernten Orten reisten die Eheleute mit verschiedenen Zügen an.
    Im September 1923 feierte Amsterdam mit der Königin vier Tage lang ihr fünfundzwanzigjähriges Thronjubiläum. Wilhelmina kam mit dem Zug von Den Haag in die Hauptstadt; rund 400 Vertreter der verschiedensten gesellschaftlichen Institutionen und Gruppierungen standen Spalier von der Centraal Station bis zum Palais am Dam, dem Sitz der königlichen Familie in der Hauptstadt. Nach der Feier in der Nieuwe Kerk sang ein Chor von 1300 Amsterdamern für die Königin. Im Concertgebouw gab es ein Festkonzert unter der Leitung von Willem Mengelberg. Anschließend besuchte die Königin ein Fußballspiel und ein Tennisturnier. Jedes Mal, wenn bei den vielen Auftritten die Menge jubelte »Es lebe die Königin!«, rief Wilhelmina mit fester Stimme zurück »Es lebe das Vaterland!«.
    1924, im April, war die Königin wieder in Amsterdam und besuchte mit Prinz Heinrich und der fünfzehnjährigen Tochter Prinzessin Juliana die große Synagoge der aschkenasischen Gemeinde. Der Oberrabbiner predigte vor der königlichen Familie, erinnerte an Treue und Anhänglichkeit der niederländischen Juden zum Haus Oranien und sprach ein Gebet für das Königshaus. Königin Wilhelmina ist bewegt, sie nimmt sich viel Zeit. Als fromme Calvinistin ist
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