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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
Autoren: Barbara Beuys
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als neuester Gag aus Paris ein »Gläserner Tanzboden« mit »fantastischer Beleuchtung« zum Tanzen. Der Antrag, in einem Arbeiterviertel ein Tanzzelt aufzustellen, wurde abgelehnt, weil dadurch die Sittlichkeit der Arbeiterschaft gefährdet sei.
    Die Tanz- und Jazzliebhaber bekamen Unterstützung durch eine revolutionäre Erfindung – das Radio. 1924 wurden in Hilversum erstmals Rundfunkprogramme in den niederländischen Äther geschickt, gesponsert von der Firma Philips, die auf den Siegeszug ihrer Radiogeräte setzte. Ungeachtet der Proteste von linken und konfessionellen Gruppen ging der Rundfunk mit der neuen populären Musik ein Bündnis ein. Am 23. Dezember 1925 wurde erstmals aus La Gaîté im Tuschinski ein Livekonzert mit Film- und Tanzmusik übertragen.
    Und wieder hatte Abraham Tuschinski ein Gespür für Qualität: Ab September 1926 spielten im Gaîté – und damit live im Radio – regelmäßig The Ramblers, eine junge Musiker-Truppe, geprägt von Könnerschaft und Leidenschaft. »Alexander’s Ragtime Band«, »Ain’t She Sweet« oder die »Broadway Melodie« kamen in die Wohnzimmer nebst eigenen Kompositionen mit witzigen Texten. The Ramblers wurden Kult, brachten den Swing ins Land und haben als bestes Jazz- und Tanzorchester während der zwanziger und dreißiger Jahre die populäre Musiklandschaft Hollands ebenso geprägt wie den seriösen Jazz.
    Amsterdam begeisterte sich für die neuen Töne aus den USA und England, ohne die Konzerte klassischer Musik im Concertgebouw zu vernachlässigen. Die Liebe der Amsterdamer zum Concertgebouw war fest verbunden mit der Popularität von Willem Mengelberg. Der Sohn deutscher Eltern, in den Niederlanden geboren und aufgewachsen, ein musikalisches Wunderkind, war 1895 als Vierundzwanzigjähriger zum Dirigenten des Concertgebouw-Orchesters berufen worden und führte das Orchester auf Weltniveau.
    Im Mai 1920 feierte Willem Mengelberg sein fünfundzwanzigjähriges Dirigentenjubiläum mit einem internationalen Mahler-Fest. Er hatte seit Beginn seiner Karriere zeitgenössische Komponisten gefördert und zum Dirigieren ihrer Werke nach Amsterdam geladen – Maurice Ravel, Richard Strauss, Claude Debussy, Igor Strawinsky und vor allem Gustav Mahler. Zum Mahler-Fest kam neben bekannten Komponisten und Dirigenten auch Alma Mahler-Werfel, die Witwe des Komponisten. Die internationalen Gäste, denen ein buntes Rahmenprogramm mit Grachtenrundfahrten und Führungen durch das Rijksmuseum und Diamantschleifereien geboten wurde, waren tief beeindruckt, und die Amsterdamer stolz darauf, im Zentrum des europäischen Musiklebens zu stehen.
    Willem Mengelberg: der Dirigent des Concertgebouw-Orchesters organisiert 1920 ein internationales Mahler-Fest
    Der joviale und weltgewandte Willem Mengelberg gewann breite Volksschichten für die klassische Musik, auch die der Moderne, und wurde für die Amsterdamer zum Star. Wenn am Karsamstag-Abend traditionell die Matthäuspassion aufgeführt wurde, stockte nach dem Eingangschor die Musik, es öffneten sich noch einmal die Türen zum großen Konzertsaal. Und fromme Juden, die nach dem Synagogen-Gottesdienst am Ende des Schabbat zum Concertgebouw geeilt waren, liefen auf ihre Plätze, um mit stillschweigendem Einverständnis von Dirigent und Publikum trotz Verspätung die geliebte Bachsche Musik hören zu können. Im Concertgebouw waren alle willkommen. Als 1926 ein Konzert des US -Orchesters »Paul Whiteman eins«, auf sinfonischen Jazz spezialisiert, angekündigt wurde, war es im Nu ausverkauft.
    Auf das Volkstheater und die Revuen verzichteten die Amsterdamer deshalb nicht. Doch es gab auch da einen neuen Ton. 1920 feierte Louis Davids in dem Stück »De Jantjes« – Die Matrosen – in der Hollandsche Schouwburg (Holländisches Theater) in der Plantage Middenlaan Triumphe. Davids – Sänger, Kabarettist, Schauspieler – hatte aus dem volkstümlichen Theaterstück ein Musical gemacht. Auf der Bühne drehte sich alles um Missverständnisse und Verwicklungen in den Liebesbeziehungen dreier Freunde im Arbeiterviertel Jordaan. Enttäuscht heuern sie schließlich als Matrosen in der Marine an und singen zum Abschied: »In meinem Herzen nehm ich Mokum mit. Nun denn Farewell, ich grüße dich, mein liebes Amsterdam.« »De Jantjes« ist bis heute ein Klassiker auf Hollands Bühnen.
    Louis Davids, Jahrgang 1883, trat schon als Kind mit seinen Eltern, jüdischen Straßenkünstlern, in Kirmesvorstellungen auf. 1905 spielte er erstmals in
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