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Lebe wohl, Erde!

Lebe wohl, Erde!

Titel: Lebe wohl, Erde!
Autoren: Frederik Pohl
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ist alles schön und gut, aber sie brauchen keinen Minensachverständigen, sondern einen Psychiater. Die Maschinen funktionieren großartig, wenn man den Berichten Glauben schenken kann. Mit den Menschen hier stimmt etwas nicht! Es gab fünfzig Unfälle in einem Monat! Was kann ich dagegen unternehmen?«
    In ihrer weiblichen Weisheit sagte Beatta: »Du wirst schon das Richtige tun, Kye. Sobald wir im Minenlager sind, wirst du dich gleich viel besser fühlen.«
     
    Beatta hatte sich getäuscht. Selbst als sie sich bereits eine ganze Woche und länger im Lager befanden, hatte sich nichts an Kyes Stimmung geändert. Die Tatsache seiner Anwesenheit allein genügte nicht, die Unfallwelle zu stoppen.
    Die »Mine« war alles andere als eine übliche Mine. Kyes Firma – die Internationale Fräsmaschinen GmbH – stellte alle Arten von Werkzeugen her und benötigte bestimmte Edelsteine und Halbedelsteine für Bohrerspitzen. Interfräs unterhielt aus Werbungsgründen ein Observatorium in der Nähe eines ihrer Werke in den Anden.
    Das Observatorium hatte einen völlig neuen Kometen entdeckt, der sich aus dem Sonnensystem näherte. Es hatte seinen Kurs verfolgt, eine Spektralanalyse des Körpers vorgenommen und eine ungewöhnliche Zahl von Meteoriten beobachtet, die auf der südlichen Hemisphäre aufschlugen, während der Hauptkörper der Sonne entgegenbrauste – und mit ihr zusammenstieß. Die Meteoriten waren natürlich Teile des Kometen gewesen, und so enthielten sie zweifellos größere Mengen der Karbonverbindungen, die der Spektrograph vom Kometen aufgezeichnet hatte. Also finanzierte Interfräs eine Expedition, diese fand einige Steine, die bestens als Industriediamanten geeignet waren. Außerdem waren die in die Erde eingedrungenen Meteoriten mit allen Arten von Juwelen durchsetzt.
    Kye war ein ungemein fähiger Bergwerksingenieur. Seine Arbeit hier war anfangs einfach gewesen. Er hatte die gesamte Ausrüstung überprüft, die Schächte besucht, war selbst an einem Kabel die glatten und unvorstellbar kalten Rohre hinuntergerutscht, die die Hitzebohrer im Eis geschaffen hatten. Alles war in bester Ordnung.
    Genau das erklärte er auch Beatta.
    »Natürlich ist mit den Bohrungen alles in Ordnung«, sagte sie. »Das wußtest du doch, ehe du hierherkamst.«
    »Ja, sicher. Aber ich mußte mich schließlich selbst vergewissern. Als nächstes nehme ich mir die Generatoren vor. Fünf der Unfälle trugen sich dort zu. Vielleicht …«
    Beatta stampfte mit dem Fuß auf. »Vielleicht, pah!« rief sie. »Du weißt ganz genau, daß alle Maschinen perfekt funktionieren. Die Menschen sind es, mit denen etwas nicht stimmt. Erinnerst du dich, was du auf dem Schiff gesagt hast, Kye? Daß sie keinen Minensachverständigen hier brauchen, sondern einen Psychiater? Kye, ich fürchte, jetzt brauchst du einen!«
    Kye starrte sie stumpf an. Seine Lippen formten Worte, sprachen sie jedoch nicht aus. Er drehte sich auf dem Absatz und marschierte wie auf Stelzen hinaus. »Ich schaue mir jetzt den Generator an!«
     
    Drei Stunden und länger blieb Beatta auf dem harten Stuhl sitzen und versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen. Was war mit Kye geschehen? Überhaupt mit jedem Mann hier? Ein Kind konnte sehen, daß Kye falsch daran tat, nach einem mechanischen Fehler zu suchen, den man für die Arbeitsverzögerung verantwortlich machen konnte. Nein, die Schuld lag an der seltsamen Gemütsverfassung jedes einzelnen Mannes im Lager.
    Verblüfft hob sie die Brauen – weshalb war sie nicht davon betroffen? Sie war, vom Ärger über Kye abgesehen, bei üblicher guter Laune. Und es sah ganz so aus, als wären das auch die anderen Frauen im Minenlager …
    Plötzlich flackerten die Lichter in der Baracke und erloschen. Auch das Radio, das sie in einem anderen Zimmer eingeschaltet hatte, verstummte. War eine Sicherung durchgebrannt?
    Sie fluchte lautlos, fummelte nach einer Taschenlampe und suchte den Sicherungskasten. Aber auch nachdem sie die Sicherung ausgetauscht hatte, gingen die Lichter nicht wieder an.
    War etwas mit der Stromversorgung? Aber wenn der Generator zeitweilig versagte, müßte doch automatisch auf Batteriebetrieb umgeschaltet worden sein!
    Wie als Antwort auf ihre unausgesprochene Überlegung leuchteten die Lichter auf, aber merklich düsterer als zuvor. Beatta gab die ausgewechselte Sicherung in die Schachtel und kehrte zum Schlafzimmer zurück.
    Kye saß am Bettrand und stierte die Wand an.
    »Was war mit dem Strom, Liebling?«
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