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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy
Autoren: M Weins
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Erdberührer, mit ihnen halten wir den Kontakt, durch sie werden wir mit allen wesentlichen Energien versorgt, ich konnte es richtig strömen spüren. Und richtig schlimm wurde es erst, als es finsterste Nacht war im Wald und um uns herum sonderbare Lichter, die wir alle drei sahen, Lichter nicht von dieser Welt, durch den Wald zu spuken begannen.
    »Hm«, sage ich. Der Doktor hat mich eine ganze Weile fragend angeschaut.
    Mit Drogen-Bert und seinem Freund sehe ich mich auch im Spätsommer gebückt über eine Kuhwiese schleichen, auf der Suche nach diesen speziellen kleinen Pilzen mit dem spitzen Hut, und man muss sich leer und empfangsbereit machen und dem Universum dankbar sein, demütig usw., damit man sie findet, man muss sie innerlich zu sich rufen, aber nicht zu sehr, sagt Bert, und der Bauer auf dem Traktor wundert sich schon gar nicht mehr, weil er das schon kennt, dass irgendwelche spätpubertierenden Spinner aus der Stadt über seine Wiese kreiseln.
    Aber das ist lange her, und das kann eigentlich nichts mehr mit dem jetzigen Phänomen zu tun haben, hoffe ich.
    »Gekokst habe ich noch mal irgendwann«, sage ich, »und eine Pille genommen vielleicht, eine halbe oder so, Ecstasy, aber das ist schon ewig her, sechs Wochen oder so. Länger.«
    »So, so«, sagt Dr. Brose mit gerunzelter Stirn und notiert sich etwas auf einem gelben Karteibogen.
    »Eigentlich nehme ich nichts mehr«, sage ich, seufzend, »das ist vorbei, man muss ja auch ein wenig achtgeben auf sich und langsam mal erwachsen werden, nicht wahr?«
    Vom Doc habe ich offensichtlich kein Verständnis zu erwarten. Er blickt mit gerunzelter Stirn auf seinen Karteibogen.
    »Na ja, ich trinke noch ganz gern, muss ich sagen. Irgendeinen kleinen Rausch braucht ja jeder, oder?«
    »Wie viel trinken Sie? Und wie oft?«
    Dieser Mensch will es aber wirklich ganz genau wissen. Also erzähle ich ihm detailliert, welche alkoholischen Getränke ich gerne zu mir nehme, wie viel ich davon trinke und wie oft, wo ich sie trinke, mit wem und wozu.
    »Hm«, macht der Doktor und wirkt anschließend etwas ratlos. Er kritzelt auf seinem Karteibogen herum, und ich denke nicht, dass es bloß Strichmännchen sind.
    »Können Sie mir Ihre aktuellen Erlebnisse bitte noch einmal ganz genau schildern«, sagt er, »so genau, wie es irgend geht, damit ich mir ein stimmiges Bild machen kann?«
    Ich nicke und kratze mich am Kopf.
     
    2
    Das erste Mal passierte es in meiner Wohnung.
    Das ist wie mit den Unfällen, schätze ich, bei denen sich die meisten und die schlimmsten und die dämlichsten sowieso im eigenen Wohnraum ereignen. Sogenannte Haushaltsunfälle . Man will nur die Glühbirne auswechseln und macht den einen unachtsamen Schritt vom Hocker zur Seite direkt in den Rollstuhl.
    Ich hatte mir mein Frühstück gemacht, zwei Toastbrote lagen auf dem kleinen Holzbrett, eines mit Schmelzkäse und Himbeermarmelade, eines mit Gemüse-Puten-Wurst. Ich wollte sie zum Verzehr aus der Küche mit ins große Zimmer hinübernehmen, stand aber plötzlich mit dem Frühstücksbrett vor einem mit Birnenornamenten verzierten Spiegel, einem bleigefassten, ganzkörpergroßen Jugendstilspiegel, den ich selbst aus Geschmacksgründen niemals erworben hätte. Ich stand in einem Möbelhaus, wie ein Blick auf die Umgebung, Neonröhren und Furnier, ergab. Hinter mir ein großes Ehebett mit Nachttischen, gebeizte Esche, 399 Euro , las ich, dahinter ähnliche Schlafzimmer, Betten, Tischchen, Schränke, Gänge und einige wenige vormittägliche Möbelhausbesucher, die mich unverhohlen anglotzten, da mir die Hose fehlte. Ich trug nur Boxershorts und mein grau-verwaschenes Iron-Maiden-Schlaf-T-Shirt am Körper. Die Haare verstrubbelt, mein Frühstücksbrett in der Hand, Badelatschen an den Füßen. Die Neonröhren knackten leise wie Frühstücksspeck in einer Pfanne.
    Solche Dinge kann man nicht wirklich objektiv einschätzen, fürchte ich, alles, was einen selbst betrifft, blinder Fleck und so weiter, das heißt, ich fragte mich schon, welches Motiv ich haben könnte, halbnackt mit meinem Frühstück in ein Möbelhaus gefahren zu sein, ob ich über Nacht irgendeine Perversion ausgebildet hätte, halbnacktes Frühstücken in der Öffentlichkeit, man weiß ja nie. Und was passiert sein musste, damit ich mich an die Hintergründe nicht erinnerte. Ich war auch ein wenig erschrocken. Und die Toastbrote auf meinem Brett waren noch warm. Aber ich glaube, dass dies einer meiner wenigen Vorzüge als Angehöriger der
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