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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy
Autoren: M Weins
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Party-House-Unsinn, ich mache mir nicht mehr die Mühe, den Mist auseinanderzuhalten, das Privileg und die Ignoranz des Alters. Ich nuckelte mein aktuelles Lieblingsbier zur Neige, dann kämpfte ich mich durch zuckende Fleischmassen zu meinen beiden tanzenden Grazien vor. Laura kann ich eh nicht leiden, sie ist die größte Spießerzicke auf Erden, von ihrem bebrillten Spasti-Freund Eduardo ganz zu schweigen. Sie mag mich aber auch nicht, und immer, wenn wir uns sehen, lächeln wir einander breit und süß ins Gesicht. Ich drängelte eine Teeniehorde beiseite, damit ich einen besseren Stand hatte, ich brüllte: »Ich geh mal raus, ich muss mal raus hier, frische Luft, bin gleich wieder da!« Ich lächelte und nickte. Ich hatte keine Ahnung, ob sie mich verstanden hatten. Beide tanzten mit geschlossenen Augen, ich meinte bei Monika ein leichtes Nicken wahrzunehmen. Gut sahen sie aus, verrückt und schön, sexy und hingegeben. Ich seufzte im Abdrehen.
    Im Vorraum zog ich das Jackett aus, legte es mir über den Unterarm. Dabei schaute ich beiläufig auf meine Armbanduhr.
    Dann gab es einen Moment, und im Nachhinein würde ich sagen, es fühlte sich an, als ginge ich durch Gelee, aber das ist eine Rekonstruktion. Als wäre ich kurz, einen schönen, gedehnten Moment lang, zu Gast im transparenten Götterspeisehaus einer Nacktschnecke, in dem die Zeit langsamer tickt, zäh und schwer tropft sie wie dickflüssiger Sirup verhallend ins Nichts. Ich bin von einer Nacktschnecke zum Gelatinetee geladen, wir sitzen auf ihrem unförmigen Wabbelsofa und blicken durch Quallensubstanz hinaus in das triefende, tropfende Leben. Wir seufzen gemeinsam.
    Dann stand ich in der Alsterschwimmhalle am Beckenrand.
    Ich habe es nicht gleich erkannt. Ich stand am Rand eines nächtlichen 50-Meter-Schwimmbeckens, schwankte leicht hin und her, die Bilder von einem nächtlichen Schwimmbad vor Augen. Schwimmbad, nächtlich , etikettierte mein Gehirn, und wieder fühlte es sich an wie ein Erwachen, alles an mir gähnte herzhaft, und es kam mir absurd vor, dass ich gerade aus einem Club gestiefelt sein sollte, das fühlte sich unendlich weit weg an. Die Oberfläche des Wassers kräuselte sich leicht, reflektierte das Licht der Straßenlaternen von draußen. Mein Blick ging zum 10-Meter-Sprungturm hinüber, wanderte sanft an der hohen, kubistisch anmutenden Deckenkonstruktion entlang, und ich hörte mich denken: Alsterschwimmhalle, im Volksmund: Schwimmoper . Ich war seit Jahren nicht hier gewesen. Ich stand ganz dicht am Beckenrand, das Jackett über dem Arm, schwankte leicht und hatte plötzlich Angst, ins Wasser zu fallen. Ich schaute hinüber zum gegenüberliegenden Beckenrand, Liegen, Kacheln, Holztäfelung, Uhr.
    Erst dachte ich wirklich, ich träume, ich liege schon im Bett und träume vor mich hin. Eigentlich hätte ich auf der nächtlichen Straße vor dem Edelweiß stehen sollen, eine Zigarette schnorren, ins gelbe Licht der Tankstelle gegenüber blinzeln, aber jetzt ging ich hier in die Hocke, steckte die rechte Hand ins Wasser und fühlte ganz deutlich das kühle Nass, roch das Chlor. Ich lauschte dem Plätschern, als ich mir etwas Wasser ins Gesicht rieb.
    Verrückt, dachte ich. Früher ist man für so was über den Freibadzaun geklettert.
    Ich stand einige Minuten einfach nur da und hielt den Atem an. Außer dem Plätschern und dem fernen Summen einer Lüftung konnte ich keine Geräusche hören. Große, nächtliche Schwimmbadstille. Ich blickte mich um, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen. Wenn ich schon mal da bin, dachte ich. Ich zog mich aus und legte meine Kleidung auf eine Plastikliege. Dann ließ ich mich ins Wasser gleiten und begann mit leisen, gleichmäßigen Bewegungen zu schwimmen.
    Auf dem Heimweg, dem langen Fußweg zurück durch die verlassene Stadt, nachdem ich irgendwann die Notausgangstür geöffnet und damit den Alarm ausgelöst hatte, kam mir das Bild von den beiden Uhren in den Sinn. Meine Armbanduhr im Edelweiß , einen Schritt vor dem Verlassen, 2 Uhr 24. Und die große, runde Schwimmbaduhr in der Alsterschwimmhalle auf der anderen Seite des Beckens, als ich mich umgeblickt hatte. 2 Uhr 26. Zwei Minuten. Und geschätzte sieben Kilometer Luftlinie zwischen beiden Orten. Kein Taxi der Welt schafft mich in zwei Minuten von dort nach hier bis an den Beckenrand.
     
    3
    Monika habe ich später erzählt, ich sei plötzlich sehr, sehr müde gewesen, was ja auch der Wahrheit entsprach. Und ich entschuldigte mich
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