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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub
Autoren: J. Habersatter
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konnte sie den Duft gleich am Morgen an der Tür einatmen. Es war, als würde der Duft des Lavendels ihr Kraft geben, und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals ohne ihren Garten mit all den Düften leben zu können.
    Noch immer stand Anna zwischen Tür und Angel und atmete tief ein. Ihr Blick fiel auf den alten Nussbaum in der Mitte des Gartens. Sie musste beim Anblick der alten Holzbank daran denken, dass sie dort viele Sommerabende mit Johann verbracht hatte. Wie viele Stunden sie dort doch geredet und gelacht hatten! Es schien, als sei es eine Ewigkeit her, und Anna versuchte, sich an Johanns Lachen zu erinnern. Sie wollte es in ihrem Kopf hören, doch da war nichts mehr. Traurig gestand sie sich ein, dass sein Lachen verschwunden war. Zu lange war er schon nicht mehr an ihrer Seite.
    Seufzend drehte sich Anna um. Sie ging zum Herd und stellte Wasser auf. Von ihrer Mutter hatte sie schon als Kind gelernt, dass Brennnesseltee bei Wasseransammlungen half. Seit Wochen trank Anna am Morgen nun den Tee und hoffte, dass das Spannen und Ziehen in den Beinen bald nachlassen würde.
    Mit dem Tee und einer Scheibe Butterbrot setzte sie sich an den großen Tisch in der Küche. Die Tür stand noch offen und wehte frische, kühle Luft herein. In aller Stille nahm sie das Frühstück zu sich.
    Hin und wieder warf sie einen Blick durch das Fenster in den Garten. Die Sonne war nun aufgegangen und schien auf die Wiese. Kleine Tautropfen funkelten und verblassten, bis sie schließlich verschwunden waren. Die Vögel zwitscherten lebhaft. Anna genoss die Geräusche der Natur und beobachtete das Lichtspiel der Sonne und des Schattens in ihrem Garten.
    Nach dem Frühstück wusch Anna das Geschirr ab und stellte es zum Trocknen auf ein Tuch. Dabei verspürte sie einen bekannten Schmerz im Bauch. Ebenso wie die geschwollenen Beine, war auch der Schmerz schon ein wochenlanger Begleiter. Er kam und ging jedoch, weshalb es sie nicht sonderlich beunruhigte. Wenn es etwas Ernstes wäre, hätte sie das wohl schon gemerkt, ging es ihr durch den Kopf. Der Schmerz strahlte vom Bauch aus bis in die Beine und rauf in den Rücken. Anna, die nicht zimperlich war, atmete tief ein und wartete, dass er wieder verging.
    Fünf Minuten stand sie leicht gebeugt und langsam atmend an die Spüle gestützt. Dieser Schmerz war länger als in den Wochen zuvor, und auch intensiver. Ob es doch etwas Ernstes war? Sie verdrängte den Gedanken wieder, als sie sich endlich wieder aufrichten konnte und nichts mehr spürte.
    Anna beschloss, eine Runde im Garten zu gehen. Bestimmt hatte sie einfach nur Verdauungsprobleme, sagte sie sich.
    Es war noch kühl am Morgen, aber es war spürbar, dass ein weiterer heißer Tag bevor stand. Anna legte sich eine dünne graue Strickjacke über die Schultern und schlüpfte in ihre Gartenschlapfen.
    Wie jeden Morgen ging sie zuerst den Kiesweg durch ihren Garten. Dabei rupfte sie hier ein Blatt und dort eine verwelkte Blüte. Sie konnte nur selten die Hände still halten.
    Am Ende des Gartens schritt sie zwischen den vielen Blumen in dem Oval zum Nussbaum, geradewegs auf die Bank zu. Sie wollte sich ein wenig hinsetzen, die Ruhe genießen und das Zwitschern der Vögel hören. Anna schloss die Augen und legte den Kopf zurück an den Stamm. Die Hände im Schoß gefaltet, saß sie minutenlang da.
    Ein erneuter heftiger Schmerz ließ Anna zusammenzucken. Reflexartig legte sie die Hände an den Bauch und beugte sich nach vorn. Der Schmerz an der rechten Seite nahm ihr die Luft. Dieses Mal war es noch viel schlimmer als in den Tagen und Wochen zuvor. Eine Welle der Übelkeit lief durch ihren Körper. Sie schloss die Augen, versuchte ruhig zu atmen und wollte warten, bis der Schmerz nachließ, doch ihr wurde schwarz vor Augen.
    Das letzte, was Anna fühlte, war das taufeuchte Gras an ihrer Wange, ehe die Dunkelheit sie umhüllte und auffing.
     
     
    Aurelia
     
    "Ach, kommt schon, beeilt euch bitte!"
    "Nein, ich will aber nicht!"
    "Bitte, Sebastian, wir müssen los!"
    "Ich! Will! Nicht! Schuhe! Anziehen!", brüllte Sebastian durch die Wohnung, seine kleine Schwester tat es ihm nach.
    "Ich will auch nicht!", quietschte Marina, warf sich dazu noch auf den Fußboden und strampelte mit den Füßen.
    Aurelia stand genervt mit einem Paar Schuhe in jeder Hand im Flur und schloss kurz die Augen.
    Einundzwanzig, Zweiundzwanzig, ...
    Im Kopf zählte sie langsam bis dreißig, dann öffnete sie die Lider und atmete tief durch. Sie hatte eine Idee.
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