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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub
Autoren: J. Habersatter
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sieht Justus nur noch grünes Wasser und fragt sich, ob Anna ihn wohl jemals finden würde.

Anna
     
    Leise stöhnend stellte sie ihre Beine auf den Boden und sah auf ihre nackten Füße hinab. Ein Blick genügte, um zu wissen, dass ihre Knöchel wieder geschwollen waren. Das Wasser in den Beinen ließ sie nun schon seit Wochen nicht in Ruhe. Oder waren es schon Monate? Je älter sie wurde, desto beschwerlicher war das Leben geworden und desto unbarmherziger war der Körper zu ihr.
    Mühsam stemmte sie sich vom Bett hoch und griff nach ihrem Morgenmantel, der neben dem Nachtkästchen auf einem Stuhl lag. Sie schlüpfte hinein und fühlte die angenehme Wärme, die sie umfing. Im Schlafzimmer war es am Morgen recht kühl, da sie es vorzog bei offenem Fenster zu schlafen. Erst nachdem sie aufgestanden war, schloss sie es, um die Hitze des Tages draußen zu lassen.
    Sie ging nach nebenan. Dort war der Schrankraum. Nachdem die Kinder ausgezogen waren, hatte Johann darauf bestanden, den Raum nicht leer stehen zu lassen und seine Frau überredet, sich dieses Zimmer für sich zu gönnen. Er hatte eigenhändig die Kästen vom Schlafzimmer auseinander geschraubt und im Kinderzimmer nebenan wieder zusammengebaut. So kam es, dass das Schlafzimmer nur noch spärlich möbliert war. Bis auf ein Doppelbett, zwei Nachtkästchen und einem Stuhl war der Raum leer. Einzig zwei farbenfrohe Landschaftsgemälde an der Wand und eine große Yucca Palme in der Ecke schufen eine angenehme Atmosphäre. Die durchscheinenden gelben Vorhänge tauchten den Raum schon am Morgen in ein angenehmes Licht.
    Nachdem sich Anna angekleidet hatte, ging sie ins Bad. Auf dem Weg durch den Flur sah sie an der Wand das Foto von Johann. Wie jeden Morgen blieb sie davor stehen.
    "Guten Morgen, mein Schatz", sagte sie leise. Sanft hauchte sie einen Kuss auf das Bild. Mit dem Zeigefinger ihrer runzeligen Hand, die von Altersflecken und blau schimmernden Venen durchzogen war, strich sie liebevoll über das Gesicht eines lächelnden Mannes Anfang sechzig.
    Im Badezimmer spritzte sie sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und kämmte die weißen kurzen Haare. Den Blick in den Spiegel mied sie. Sie wusste auch so, dass sie alt war.
    Sie brauchte jeden Morgen nur zehn Minuten, dann verließ sie das erste Stockwerk ihres Hauses und ging nach unten, um den Tag zu beginnen. In der Küche öffnete sie die Terrassentür. Die frische Luft durchströmte sofort den Raum und sie atmete tief ein. Von April bis Oktober, wenn es nicht gerade stürmte, hagelte oder wie aus Eimern goss, öffnete sie am Morgen die Tür. Für Anna war es ein Ritual, denn der Tag begann für sie erst, wenn sie die frische, mit Düften geschwängerte Luft roch und einen Blick auf ihren Garten werfen konnte.
    Dieser lag hinter dem Haus noch halb im Schatten. Die Bodenplatten der Terrasse waren feucht von der Nacht und die Sonne warf vorsichtig ihre ersten Strahlen auf die Baumkrone des Nussbaumes, der in der Mitte des Gartens stand. Rund um den Nussbaum führte ein schmaler Kiesweg durch den Garten. Ging man ihn im Uhrzeigersinn, dann kam man linker Hand zuerst an den Gemüsebeeten vorbei. Bis zum Ende des Grundstückes waren Reihe für Reihe Karotten, Sellerie, Kopfsalat, Tomaten, Kürbis und noch viele andere Gemüsesorten gepflanzt. Jedes Gemüse hatte seinen Platz und reichte für Anna von der Menge, um im Sommer mit Vitaminen versorgt zu werden und im Winter mit Einmachgläsern auszukommen.
    Ging man den Weg bis zum Ende des Gartens, so stand man vor einer alten Schaukel. Johann hatte sie selbst gebaut. Schließlich sollten die Kinder, und später die Enkelkinder, einen Platz zum Spielen haben. Dass die Schaukel Jahrzehnte überdauern und auch von den Urenkeln genützt werden würde, damit hätte Johann wohl nicht gerechnet. Anna wusste, dass dies nur seinen guten handwerklichen Fähigkeiten zu verdanken war.
    Am Ende des Gartens führte der Weg rechterhand zurück zur Terrasse. Auf dieser Seite des Gartens lagen viele kleinere und größere Steine in der Wiese. Zum Teil waren sie zu einer kleinen Mauer aufgestapelt oder zu einem Steinhaufen getürmt. Dazwischen wuchsen allerlei Kräuter, deren Duft am Morgen betörend war. Es war, als hätte die Nacht die Düfte zurückgehalten und nun bei Morgengrauen verströmen lassen.
    Anna liebte diese Düfte, vor allem aber liebte sie den Lavendel. Sobald dieser blühte, band sie einen Strauß und hängte ihn zum Trocknen an die Wand neben der Terrassentür. So
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