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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos
Autoren: Frank Schätzing
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Wege.
    Er lachte leise in sich hinein. Wie gut sich die Religion einfügte ins Orchester der Demagogie. Manchmal bedauerte er fast, im Grunde seines Herzens eine Glaubenslosigkeit zu verspüren, die ihn zu der Vorstellung verleitete, er selbst sei das höchste aller Wesen und spiele in Ermangelung geeigneter Partner ein Spiel gegen sich selbst. Kirchen flößten ihm Ehrfurcht ein, aber in ihrem Innern fand er immer nur sich selbst.
    Dumpfes Knattern drang an sein Ohr, als der Helikopter die Rotoren anließ.
    Im selben Moment wurde dem Alten bewusst, worin die besondere Eigenheit Mirkos bestand.
    Mirko ging umher, bewegte Arme und Beine, sprach. Aber er machte nicht das leiseste Geräusch. Eine Holographie hätte kaum lautloser auftreten können als dieser Mann.
    Kein Humor, keine Geräusche.
    Die Sache ließ sich gut an.
1998.26. NOVEMBER. PIEMONT. ALBA
    »Signora Firidolfi, Sie sehen bezaubernd aus. Ihre Konten sehen bezaubernd aus. Ich frage mich, was unsereinem noch zu tun bleibt.«
    »Schöne Dinge sagen«, bemerkte Silvio Ricardo und verstaute einen Packen Schnellhefter in einer ledernen Aktenmappe. In den mattsilbernen Verschluss war das Emblem der Neuronet AG eingeprägt, dezent genug, dass man zweimal hinschauen musste, um es zu erkennen.
    Direttore Ardenti hob die Hände und verbreiterte sein Lachen um je zwei nikotingelbe Zähne. Bis auf den Umstand seiner offensichtlichen Zigarettensucht war seine Erscheinung über jede Kritik erhaben. Dunkles, teures Tuch, breit geknotete Armani-Krawatte, Goldrandbrille. Die Reste von Haar waren nach hinten gekämmt und blauschwarz gefärbt, die einzige Extravaganz, die sich der Direktor des bedeutendsten piemontesischen Geldinstituts erlaubte.
    »Ohne Unterlass singe ich Ihr Lied«, sagte er. »Die Bank von Alba gehört quasi Ihnen.«
    »Vorsicht, Direttore«, scherzte Ricardo. »Sie könnten der Wahrheit näher kommen, als Ihnen lieb ist.«
    Ardenti beugte sich vor und senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Raunen.
    »Also, dann will ich mal deutlicher werden. Das Institut ist zu der Überzeugung gelangt – nach eingehender Besprechung mit den Damen und Herren des Vorstands, die allesamt große Vertrautheit zu Ihnen bekunden –, Ihrem Ersuchen um eine Erweiterung des Kreditrahmens … ja, sollte ich sagen, stattzugeben?« Er lehnte sich wieder zurück, versteifte alle zehn Finger und verzahnte sie vor seinem Bauch. »Wir verbrachten die Mittagsstunde in der Osteria lalibera und aßen Ravioli tartufati, Sie wissen, wo sie in einem Bett aus Ricotta und Spinat ein ganzes Eigelb versenken und dann – tschak, tschak – mit dem Hobel drübertrüffeln. Madonna, der Duft! Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Auswirkung so etwas auf den gemeinhin monetär veranlagten Sinn des Bankers hat. Waren Sie kürzlich da? Lohnt! Gehen Sie unbedingt hin, der Weinkeller ist von Geheimnissen durchweht, um deren Lüftung wir uns sehr bemühten! Nur wenige Flaschen eines magischen '88er Pio Cesare, und Ungeheures folgte auf Intimes, Weisheit auf Wahnsinn! Kurz, man war übereinstimmend der Ansicht, die Beziehungen zu Neuronet ausweiten zu wollen, ich bin versucht zu sagen, Ihre Anwesenheit hätte stehende Ovationen ausgelöst!«
    Laura Firidolfi lächelte, denn die letzten Worte hatte der Direttore mit geschmeidigem Blick in ihre Richtung gesprochen.
    »Ich bin beruhigt zu hören«, erwiderte sie amüsiert, »dass die Herren noch hätten stehen können.«
    Ardenti ließ ein vertrauliches Lachen hören und reichte es an Silvio Ricardo weiter, der es im linken Mundwinkel verstaute. Sie fühlte das Interesse des Direttore auf sich ruhen wie Messerklingen. Flach, kühl und wohltuend, solange ihr Laden weiterhin gut lief. Bei Problemen würde Ardenti es verstehen, die Messer so weit zu drehen, dass sie ins Fleisch zu schneiden begannen. Im Augenblick jedoch war der Raum gesättigt von Partikeln des Erfolgs, und Neuronet – besser gesagt Laura Firidolfi – weit davon entfernt, das Wohlwollen des Direttore in absehbarer Zeit zu verlieren.
    Ricardo klappte die Mappe zu.
    »Wir sind sehr zufrieden«, sagte er zu Ardenti. »Ich werde Ihnen übrigens noch einige Kopien des Geschäftsberichts nachreichen müssen, mir war kurzzeitig entfallen, dass der Vorstand Ihres geschätzten Instituts Gehälter in zwölffacher Ausfertigung bezieht. Ab wann könnten wir über die zusätzlichen Mittel verfügen?«
    Ardenti hob die Brauen.
    »Wann immer Sie wollen! Sagte ich schon, dass sich unser
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