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Lautlos

Lautlos

Titel: Lautlos
Autoren: Frank Schätzing
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gebraucht. Wir müssen realistisch sein. Die besten Leute sitzen in Nordirland. Ein komplett serbisches Kommando kann ich Ihnen einfach nicht versprechen.«
    »Sie enttäuschen mich, Mirko. Sollte es etwas geben, das sich mit Geld nicht ermöglichen ließe?«
    »Darum geht es nicht.« Mirko lehnte sich an eine der wuchtigen Säulen, die das Mittelschiff von den Seitenkapellen trennten. »Das Problem ist die Qualifikation. Zweitens die Anonymität. Das Gute an Carlos war ja, dass ihn jeder kannte und keiner.«
    »Ich will auf gar keinen Fall irgendwelche Amerikaner …«
    »Beruhigen Sie sich. Ich habe verstanden, was Sie wollen. Lassen Sie mich ein bisschen das Feld sondieren. Auf jeden Fall garantiere ich Ihrem Unternehmen einen serbischen Kopf!«
    Der alte Mann musterte Mirko und fragte sich, was ihn an seinem Gegenüber so irritierte. Irgendetwas an Mirko war nicht – komplett. Weniger im Sinne einer fehlenden Qualität, nichts, um Zweifel an der Richtigkeit seiner Wahl aufkommen zu lassen. Mit Mirko in einem Raum zu sein war eher, als betrachte man einen Film auf einer Leinwand, die nur Zweidimensionales wiedergibt. Eine Kleinigkeit, die das Abbild des Menschen in einen richtigen Menschen verwandelte, blieb Mirko schuldig.
    »Gut«, sagte der Alte. »Finden Sie diesen Kopf.«
    Mirko stieß sich mit einer Bewegung seiner Schultern von der Säule ab.
    »Möglicherweise habe ich ihn schon gefunden. In einer Woche bin ich klüger.«
    »Zwei, wenn Sie wollen.«
    »Es gibt da jemanden. Falls meine Idee funktioniert, müsste eine Woche reichen. Bis dahin brauchen Sie sich um das Thema keine Gedanken mehr zu machen.«
    »Gut.«
    Mirko zögerte. »Darf ich mir eine Frage erlauben?«
    »Natürlich. Fragen Sie.«
    »Ich hörte, dass die Gespräche wieder aufgenommen werden.«
    »Rambouillet?«
    Mirko nickte. »Der Ausgang könnte einiges ändern. Holbrooke hat ja nicht gerade chinesisch gesprochen, als er mit der Bombardierung drohte. Nur …«
    »Sie meinen, ein positiver Ausgang der Verhandlungen nimmt unserer Sache den Stachel?«
    »Gewissermaßen.«
    »Nett, dass Sie sich aufgefordert fühlen, mitzudenken.« Der alte Mann verzog die Mundwinkel. Er hätte selbst nicht zu sagen gewusst, ob aus Anerkennung oder Missbilligung. »Aber da Sie sich nun schon mal meinen Kopf zerbrechen, Mirko Drakovíc und wie auch immer Sie sonst noch zu heißen belieben – Sie haben natürlich Recht. Selbstverständlich möchten wir in Rambouillet alle Parteien mit den erklärtermaßen besten Absichten am Tisch sitzen sehen. Ich selbst führe keinen anderen Wunsch im Munde.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich schätze, die Gespräche werden ins Leere laufen. Alle werden sehr traurig sein und es sehr bedauern.«
    »Und wenn nicht?«
    »Bekommen wir dennoch, was wir wollten. Ich würde Sie auch gern etwas fragen.«
    »Sicher.«
    »Warum wollen Sie das wissen? Ich denke, Sie sind neutral.«
    Mirko lachte. Um seine Augen bildeten sich tausend Fältchen, die merkwürdigerweise nichts am Eindruck seiner absoluten Humorlosigkeit änderten.
    »Ich bin neutraler Geschäftsmann. Wenn die Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen, werden Sie Ihren Auftrag überdenken. Ich weiß einfach nur gern, woran ich bin.«
    »Ich sage Ihnen, woran Sie sind. Sie sind am Drücker, Mirko. Am Drücker!« Der Alte sah auf seine Armbanduhr und hob die Hand. »Es war eine Freude, mit Ihnen zu plaudern. Machen Sie's gut. Wir sehen uns, sobald Sie fündig geworden sind. Ach, und Mirko! – Enttäuschen Sie mich nicht. Mein Wohlwollen ist mindestens so wertvoll wie Ihre fünf Buchstaben.«
    Er wandte sich ab und ging raschen Schrittes durch das Kirchenschiff zurück ins Freie. Die Sonne stand nun tiefer, hatte den Schatten von der Terrasse genommen. Er spürte die Wärme auf seiner Haut, aber sie war nichts im Gegensatz zu der Glut in seinem Herzen. Wilde Befriedigung durchlohte ihn angesichts der Tatsache, den Stein ins Rollen gebracht zu haben. Auf legalem Wege hatten sich die Mittel erschöpft. Seine Schuld war es nicht, er würde nur dafür sorgen, dass sein Land wieder jenen zukam, denen es von alters her gehörte. Die Dissonanz der Vielvölkergesellschaft würde einem anderen Klang weichen. Millionen Kehlen, aufrechte Männer, Frauen, die ihren Platz kannten, Kinder mit hoffnungsvollen Gesichtern würden einen Choral singen, und am Ende würde Gerechtigkeit triumphieren.
    War die Schlange erst besiegt, stand der Rückkehr ins Paradies nichts mehr im
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