Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lautlos im Orbit (1988)

Titel: Lautlos im Orbit (1988)
Autoren: Klaus - Lautlos im Orbit Frühauf
Vom Netzwerk:
nicht.«
    Sie wollte gehen, um im Vorzimmer zu warten, aber der Doktor forderte sie auf, sich wieder in die Reihe zu stellen. Dann gab er jedem eine Spritze, auch Ma, und sagte, daß er damit alles getan habe, was menschenmöglich sei. Danach rief er die nächsten herein.
    Unten im Pub war es unterdessen sehr laut geworden. Eine Schlägerei schien im Gange zu sein. Auch das war nicht normal. Meist wurde in den Pubs nur heftig diskutiert, denn da man sich über die Nachteile des derzeitigen Weltsystems weitgehend einig war, fiel niemandem ein, andere mittels handgreiflicher Argumente überzeugen zu wollen.
    Doch an diesem Tag war in Calman’s Edge nichts wie sonst. Auch der schwarze Vogel nicht, den sie während des Heimwegs über den Ort fliegen sahen, groß wie ein Strahljäger und mit mindestens ebensoviel Lärm. Ja, er war erwachsen geworden. Seine Einstellung zu den Dingen hatte sich über Nacht geändert.
    Die Jungen von Calman’s Edge brannten darauf, es den englischen Gunslingern heimzuzahlen. Der Tod des kleinen Clarke sollte furchtbar gerächt werden.
    Am anderen Morgen paßte Danny Clearwater Phil vor der Schule ab. »Ich habe einen Plan, wie wir beim nächsten Mal ungeschoren davonkommen werden und trotzdem größere Wirkung erzielen könnten. Die sollen sich wundern, wenn sie niemanden von uns erwischen, diese verfluchten Hunde.«
    »Wir sollten nichts übereilen.« Phil versuchte sich herauszuwinden.
    »Was quatschst du da?« fuhr Danny auf. »Hast du die Hosen voll? Willst du, daß Brian gerächt wird oder nicht?«
    »Er wird gerächt werden.«
    »So, wird er das? Und von wem, wenn ich fragen darf?«
    »Die Rache ist mein, spricht der Herr!«
    Danny sah aus, als habe ihn ein Blitz getroffen. Und natürlich mußte sich auch Philipp sagen, daß ihm eine blödere Ausrede wohl schwerlich hätte einfallen können.
    Ein Lehrer hatte den Disput beobachtet. Gehört hatte er sicherlich nichts, aber es reichte aus, wenn zwei Leute zusammenstanden und diskutierten. Er trat aus der Tür, hob sich auf die Zehenspitzen und schrie: »He, Clearwater, Barrymore! Was soll das? Wißt ihr nicht, daß Zusammenrottung Strafe nach sich zieht? So sind die Gesetze. Und sie sind gut so. Herein hier mit euch, ihr Gesindel!«
    Sie schlenderten nebeneinander zur Schultür.
    »Der steht auch schon auf meiner Liste«, flüsterte Danny. »Man sollte ihm lieber heute als morgen den Schädel einschlagen.«
    Philipp nickte. In diesem Moment hätte er jedem verbalen Mord zugestimmt. Er war heilfroh, daß die Auseinandersetzung mit Danny auf diese Art beendet worden war. Außer dem Gefühl, daß alles, was er bisher getan hatte, irgendwie Kinderkram gewesen war, hatte er kein einziges Argument gegen einen erneuten Angriff auf die Zäune des Camps.
    Irgendwann würden ihm die anderen Jungen entgegenhalten, daß es notwendig sei, sich am Kampf gegen die Unterdrücker zu beteiligen, daß seit fünfhundert Jahren Kinder an der Seite der Erwachsenen gefochten und daß sie auch mit ihren Mitteln Erfolge erzielt oder den Tod gefunden hatten.
    Trotzdem hatte er eingesehen, daß es dumm und überflüssig war, Steine gegen Zäune zu werfen oder die Gunslinger erschrecken zu wollen. Es gab Wichtigeres. Und er begann zu begreifen, was dieses Wichtigere war.
     
    In diesem Sommer geschahen noch mehr sonderbare und bestürzende Dinge in Calman’s Edge. So explodierte vor dem Drugstore des alten Barnaby, dem man nachsagte, er vermiete sein Hinterzimmer stundenweise an Gunslinger und deren Huren, eine Bombe, die in einem Kinderwagen versteckt worden war. Passanten begannen sich ohne erkennbaren Grund auf der Straße zu prügeln, es gab Schlägereien, die sich von denen, wie sie überall hin und wieder vorkommen, grundlegend unterschieden. Bei fast jeder dieser Auseinandersetzungen ging man mit unglaublicher Brutalität zu Werke, nicht selten blieben Schwerverletzte und manchmal sogar Tote auf den Straßen liegen. Philipp selbst sah an einem Tag dieses entsetzlichen Sommers, wie auf einen hilflos am Boden liegenden Mann eingeschlagen und getreten wurde.
    Und nur in ganz wenigen Fällen griff die Polizei oder die Besatzungsmacht ein, deren Angehörige neuerdings Schutzmasken trugen, wenn sie auf Streife gingen. Zumeist beobachteten sie die Szenen nur aus sicherer Entfernung und räumten später, wenn alles vorbei war, die Toten und Verletzten weg. Immer öfter sah man Blutlachen auf den Straßen der Stadt. Und manchmal fluoreszierte das Blut in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher