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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute
Autoren: Bernard Glemser
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den Hörer auf. »Brautausstattungen, Miß Evans.«
    »Guten Morgen, Miß Evans. Miß Ponsonby hier.«
    Miß Ponsonby, die dicke, gute Freundin meines Onkels D’Arcy, die mich für die Abteilung angeworben hatte. »Guten Morgen, Miß Ponsonby.«
    »Werden Sie die nächsten zehn Minuten in Ihrem Büro sein? Ich möchte Sie gern mit dem neuen Etagenchef bekannt machen.«
    Das war eine Überraschung. »Mr. Chubb ist nicht mehr da?«
    Sie lachte etwas merkwürdig. »Mr. Chubb ist in den vierten Stock versetzt, seinen Posten übernimmt Mr. Kirkpatrick.«
    »Oh«, bemerkte ich so ungerührt wie möglich.
    »Und noch etwas«, fuhr sie fort. »Eben rief Miß Caswell an, um zu sagen, daß ihre Mutter in der Nacht erkrankt ist und sie deshalb heute nicht kommen kann. Ich hoffe, Sie können sie vorübergehend entbehren.«
    »Ich denke schon.«
    »Ausgezeichnet. Wir sehen uns also in ein paar Minuten.«
    Ich legte den Hörer auf und sagte: »Kreuzdonnerwetterverdammich noch mal«, oder etwas Ähnliches. Ein neuer Etagenchef, Mr. Kirkpatrick, in Person. Und meine beste Kundenberaterin blieb zu Hause, um ihre kranke Mutter zu pflegen. Was würde als nächstes passieren? Nach siebenundzwanzigjähriger, bitterer Erfahrung wußte ich nur zu gut, daß Unliebsamkeiten bei mir nie einzeln kommen, nicht einmal paarweise — sie treten in Herden auf, wie einst die Büffel.

    Meine erste Aufgabe war jetzt, die gesamte Abteilung zu warnen, daß Miß Ponsonby mit einem neuen Etagenchef auf dem Wege zu uns war. Ich eilte also mit der Nachricht in den Aufenthaltsraum der Beraterinnen. Mrs. Buckingham las wie gewöhnlich die New York Times; die anderen plauderten vergnügt. Ich brauchte keine lange Rede zu halten; die Ankündigung als solche genügte, um sie alle gleichzeitig in Bewegung zu bringen. Wenn die hohe Obrigkeit uns besuchte, mußte die gesamte Abteilung vor Geschäftigkeit summen wie ein Bienenstock, einfach, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Obrigkeitliche Gehirne sind aus irgendeinem Grunde nicht imstande, Untätigkeit zu verstehen, selbst wenn es gar nichts gibt, um tätig zu werden.
    Mrs. Hazel fragte im Aufstehen: »Ist Mr. Chubb ‘rausgeflogen?«
    »Nein, er ist in den vierten Stock versetzt.«
    Mrs. Buckingham faltete die New York Times zusammen. »Und wen bekommen wir anstelle von Mr. Chubb, Miß Evans?«
    »Mr. Kirkpatrick.«
    Heller Aufruhr war die Folge. Miß de Wild schrie auf: »Oh, nein! Wie schrecklich!« Mrs. Hatfield rief: »Aber er soll ein Ekel sein! Der ganze sechste Stock haßt ihn.« Und Miß Greene murmelte: »Das ist das Schlimmste, was ich je gehört habe.«
    Mir erging es ähnlich. Ich kannte Mr. Kirkpatricks Ruf. Als stellvertretende Abteilungsleiterin jedoch mußte ich wenigstens einen schwachen Versuch unternehmen, die Stimmung zu retten. »Wir wollen nicht urteilen, bis wir ihn besser kennen. Wahrscheinlich ist er nicht halb so schlimm, wie behauptet wird. Wenn Sie aber Schwierigkeiten mit ihm haben, lassen Sie es mich getrost wissen.« Damit wechselte ich das Thema. »Übrigens, Miß Caswell kommt heute nicht. Kann jemand ihre Verabredung um halb drei übernehmen?«
    Miß Greene warf einen Blick auf ihren Terminkalender und stellte fest, daß sie frei war.
    »Fein. Wir sprechen noch darüber, wenn Miß Ponsonby da war.«
    Ich steckte den Kopf in die Schleierwerkstatt und sagte zu Margot Barry: »Miß Ponsonby ist auf dem Wege herunter mit unserem neuen Etagenchef«, erntete jedoch nur einen eisigen Blick. Sie war dabei, ein neues Schleiergesteck zu kreieren, und ich hätte ebensogut eine Hohepriesterin am Altar im alten Ägypten stören können — sie hatte den gleichen verzückten, weltentrückten Blick.
    Ich ging ins Foyer und informierte Alice Pye, daß Miß Ponsonby mit Mr. Kirkpatrick, dem neuen Etagenchef, gleich herunterkommen werde. Sie meinte: »Oh, dann muß ich beschäftigt aussehen. Ich werde so tun, als prüfte ich meine Karteikarten.«
    Ich lachte. Sie war so jung und drollig. Dann fragte ich: »Wissen Sie, ob Miß Banvilles Braut schon da ist?«
    »Ja, sie ist in Anprobe 5, mit Miß Banville.«
    Als ich den Empfang verließ, warf ich einen schnellen Blick in die Kabine j 5, und da war Suzanne, wie Alice gesagt hatte, und half einem jungen Mädchen in ihre Robe. Sie brauchte ich vor nichts und niemandem zu warnen. Ich ging weiter den engen Flur hinunter in mein Büro, und einige Minuten später kam Miß Ponsonby mit Mr. Kirkpatrick, bis dato Schrecken und Geißel des sechsten
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