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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute
Autoren: Bernard Glemser
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Gleichgewicht wieder herzustellen, »bei uns werden dauernd Bräute ohnmächtig. Das gehört hier zum Berufsrisiko.«
    »Stehen Sie doch nicht einfach da!« fuhr er mich wütend an. »Tun Sie etwas. Wenn irgendwas passiert, kann man uns belangen.«
    »Mrs. Buckingham ist gegangen, das Riechsalz zu holen. Sie wird gleich zurück sein.«
    »Miß Evans: Ich befehle Ihnen, auf der Stelle etwas zu tun!«
    »Ich versichere Ihnen, das geht alles in Ordnung. So etwas passiert alle Tage.«
    Er maß mich mit funkelnden Augen.
    »Ich würde jedoch vorschlagen«, fuhr ich fort, »daß Sie in Zukunft in keine unserer Anproben mehr hineinstürmen, wenn sie besetzt ist. Das uns nämlich einen Eine-Million-Dollar-Prozeß eintragen.«
    »Ich hätte wohl hineinschauen sollen, ehe ich eintrat«, murmelte er.
    »Auch dafür könnte man uns verklagen«, erklärte ich. »Und Sie könnten verhaftet und ins Gefängnis gesperrt werden.«
    Mrs. Buckingham kam mit dem Riechsalz; ich ging mit ihr in die Anprobe und stützte das Mädchen, während Mrs. Buckingham ihr mit dem Fläschchen unter der Nase herumwedelte. Erst kam der übliche kleine Seufzer, dann drehte das Mädchen den Kopf zur Seite, um dem scharfen Geruch zu entgehen; und dann öffnete sie die Augen und fragte: »Wo bin ich?«
    »Jetzt komme ich allein zurecht«, sagte Mrs. Buckingham zu mir, und ich begab mich zurück zu Mr. Kirkpatrick. Ohne weitere Erklärungen ging ich voran ins Foyer.
    Dort — als habe er eine welterschütternde Entscheidung getroffen, wie Napoleon, als er sich zum Marsch auf Moskau entschloß — sagte er: »Wir müssen etwas unternehmen. Diese Situation ist unmöglich. Das muß aufhören.«
    »Welche Situation?«
    »Daß Bräute in den Anprobekabinen in Ohnmacht fallen.«
    »Das liegt in der Natur der Bräute«, erwiderte ich so geduldig ich konnte. »Das passiert dauernd.«
    »Unsinn, Miß Evans.«
    »Nein, das ist kein Unsinn. Sie übergeben sich auch, und sie bekommen hysterische Anfälle.«
    »Übergeben? Hysterische Anfälle?«
    »So ist es.«
    Er straffte die Schultern. »Es muß eif e einfache, wissenschaftliche Erklärung für diese unerfreulichen Vorfälle geben. Wahrscheinlich liegt es an mangelhafter Belüftung. Ich werde den Hausdienst beauftragen, das zu prüfen und gegebenenfalls Ventilatoren einzubauen.«
    »Alle Anproben sind klimatisiert.«
    »In dem Falle funktioniert die Klimaanlage offenbar mangelhaft.« Er sah sich im Foyer um, blickte auf die Spiegel, auf die Blumenfülle, auf Alice Pye, die sittsam und bescheiden an ihrem Pult saß, und auf Miß de Wild, die sich leise mit einer Kundin unterhielt. Dann meinte er mit einem ironischen Lächeln: »Außerordentliche Abteilung haben Sie hier, das muß ich sagen, Miß Evans.«
    Ich würdigte ihn keiner Antwort, sondern ging hinüber zum Empfang und rief Miß Ponsonby an. »Mr. Kirkpatrick hat seinen Rundgang durch die Abteilung beendet«, sagte ich.
    »Prächtig. Ich bin gleich unten, um ihn hinüber zu Miß Kramer und Mrs. Downley zu bringen.«
    Dann ging ich zurück zu Kirkpatrick und übermittelte ihm Miß Ponsonbys Bescheid. »Danke«, sagte er kühl.
    »Keine Ursache«, gab ich ebenso kühl zurück und ließ ihn stehen, um wieder an die Arbeit zu gehen.

3

    Sonnenklar, der Mann würde uns eine Menge Ärger bereiten. Unser netter, kleiner Mr. Chubb hatte die Eigenarten unserer Abteilung zwar nie ganz begriffen, doch er hatte sich stets bemüht, uns zu helfen, wenn wir um seine Unterstützung baten, und im übrigen hatte er uns laufen lassen, wie wir wollten. Mr. Kirkpatrick dagegen war offenbar ein tatendurstiger Muskelmann. Keine schönen Aussichten.
    Ein Etagenchef ist gleichzusetzen mit der niedersten Stufe der Geschäftsführung in einem Warenhaus. Er kauft nicht ein; und er verkauft auch nicht. Seine Aufgabe ist es, darauf zu sehen, daß in seinem Stockwerk alles reibungslos läuft. Er ist verantwortlich für die Arbeitsdisziplin des Personals’ er zeichnet Belege über kleine Beträge ab; er ist der erste, an den ein Kunde sich mit einer Beschwerde wendet; und sollte eine Braut bei der Anprobe tot umfallen, würde er zweifellos sofort gerufen werden.
    Theoretisch hatte der Etagenchef keine direkte Befehlsgewalt über mich, und er konnte sich nicht in den Verkauf unserer Brautausstattungen einmischen. Solange Mrs. Snell abwesend war, lag die Verantwortung für die Abteilung in erster Linie bei mir. Natürlich würde ich verschiedene kleine Angelegenheiten mit dem Etagenchef
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