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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute
Autoren: Bernard Glemser
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ihres Brautkleides erschienen war. Alle in der Abteilung waren von ihr begeistert gewesen; sie war so liebenswürdig, so großzügig, ohne eine Spur der nervenzermürbenden Launen, wie man sie so oft bei Broadway-Stars findet. Ihr Verlobter war ein erfolgreicher, spanischer Architekt, der sich in New York niedergelassen hatte und hier im Laufe der letzten fünf Jahre zu Ansehen und Vermögen gekommen war. Er hatte eine Sensation ausgelöst, als er eines Nachmittags im Brautfoyer auftauchte, um Miß Lorraine von der Anprobe abzuholen. Sie waren ein herrliches Paar — eine schöne Frau, ein blendend aussehender Mann, und offenbar verliebt bis über beide Ohren.
    »Haben Sie Ihre Pläne geändert, Miß Lorraine?« fragte ich. »Wollen Sie in Paris heiraten?«
    Sie lachte. »Allerdings, ich habe meine Pläne geändert. Aber ich heirate nicht in Paris. Oh, nein, Gott behüte. Ich heirate überhaupt nicht. Mein Verlobter und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit, und wir haben beschlossen, die ganze Sache abzublasen.«
    »Das tut mir aber schrecklich leid, Miß Lorraine.«
    Ihre Stimme klang noch immer heiter und unbekümmert. »Vielen Dank für Ihre Anteilnahme. Aber es ist zweifellos das Beste so. Wir haben Glück, jetzt, ehe es zu spät ist, festzustellen, daß wir ganz und gar nicht zueinander passen. Eine völlige Fehlverbindung.« Ihr Ton wurde ein wenig schriller. »Mein Anruf hat natürlich den Zweck, Sie wissen zu lassen, daß ich für die Brautausstattung nun kaum mehr Verwendung haben werde.«
    »Machen Sie sich deswegen bitte keine Gedanken, Miß Lorraine. Darüber können wir sprechen, wenn Sie zurück sind.«
    »Ich mache mir aber Gedanken deswegen«, meine Liebe«, erwiderte sie scharf. »Sehr viele Gedanken sogar; ich beschäftige mich unentwegt damit. Und ich wollte Sie bitten, ob Sie so freundlich sein würden, das Nötige zu veranlassen, damit die Sachen sofort verschwinden.«
    Derartiges passierte nicht zum erstenmal, und es würde auch kaum das letzte Mal sein. Ein Brautkleid — und besonders eines wie das, was Linda Lorraine sich ausgesucht hatte — kostet einen ganz schönen Batzen Geld; und wenn man dann keine Verwendung dafür hat, ist es durchaus vernünftig zu versuchen, einen Teil des Geldes zurück zu bekommen. Ich sagte also: »Sicher, ich nehme das Kleid wieder ins Lager; und es ist ein so bildschönes Modell, daß wir sicherlich ohne Mühe eine Kundin dafür finden werden —«
    Sie unterbrach mich so heftig, daß ich zusammenzuckte: »Nein! Nein! Nein! Ich verbiete Ihnen, es jemand anders anzubieten. Das kommt überhaupt nicht in Frage.«
    Ich war verblüfft ob dieses wilden Ausbruches. »Aber das verstehe ich nicht, fürchte ich. Auf welche Weise soll ich es Ihnen denn abnehmen?«
    »Wegtun sollen Sie es, verstehen Sie denn nicht? Verbrennen Sie es. Werfen Sie es in den Mülleimer. Geben Sie es der Heilsarmee, damit die Vorhänge draus macht. Aber verkaufen Sie es keiner anderen Frau; ich will nicht, daß eine andere Frau es trägt.«
    Ich wartete einen Moment, damit ihre blinde Wut sich legte. Dann sagte ich: »Ihre Instruktionen sind völlig klar, Miß Lorraine. Leider kann ich aufgrund eines Telefongesprächs keine Schritte unternehmen. Würden Sie die Freundlichkeit haben, Ihr Ersuchen schriftlich zu bestätigen?«
    »Herzlich gern bestätige ich Ihnen das schriftlich. Ich setze mich sofort hin und schreibe es Ihnen und schicke es Ihnen per Luftpost Eilboten. Und sofort wenn Sie meinen Brief haben, tun Sie das Erforderliche, um das Kleid zu vernichten. Ist das absolut klar, Miß Evans? Vernichten!«
    »Ja, Miß Lorraine.«
    Dreitausend Meilen von mir entfernt brach sie in krampfhaftes Weinen aus. »Adieu«, schluchzte sie, und noch ehe ich antworten konnte, hatte sie aufgelegt.

    Armes Ding. Sie wollte wahrscheinlich weiter nichts, als mit irgendeinem Menschen über ihr Unglück sprechen. Sie meinte es gewiß nicht ernst, daß ich ein Streichholz an ihre handgestickte 650-Dollar-Robe aus importierter, französischer Alençon-Spitze oder an den 150-Dollar-Kopfputz halten sollte. Sie mußte ganz genau wissen, daß das Kleid viel zu umfangreich war, um in einem Mülleimer Platz zu haben. Und sie wußte auch, daß der Modellist toben würde, wenn er hörte, daß wir eines seiner elegantesten Modelle an die Heilsarmee gegeben hatten, damit sie Vorhänge daraus machte. Immerhin, ich brauchte nichts zu unternehmen, bis Miß Lorraines schriftliche Anordnung aus Paris eintraf; und
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