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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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eine halbe Stunde lang beten lassen, daß die Frevel-
    tat vorübergeht. Und wie es vorbei war, sagte der Fritz zu
    mir, ob ich glaube, daß wir es weggebetet haben. Ich sagte,
    daß ich es glaube, weil der Falkenberg sonst nicht aufgehört
    hätte. Aber ich sagte: „Du mußt auch ein anderer werden,
    Fritz. Probiere es nur, es geht ganz gut.“ Er fragte, ob ich es
    fertig gebracht habe.
    Ich sagte: „Ja, weil ich jetzt furchtbar fromm bin. Die
    Tante Fanny gibt immer Obacht, wenn ich im Gebetbuch
    lese, und sagt zu Onkel Pepi, daß mit mir eine Veränderung
    geschehen ist. Sie glaubt, daß ich in mich gegangen bin, und
    ich glaube es auch, weil ich jetzt schon eine Viertelstunde
    lang beten kann und nicht denke, wie ich der Tante etwas
    antue.“
    Der Fritz sagte, er will morgen anfangen, aber heute muß
    er noch dem Schuster Rettenberger das Fenster einschmei-
    ßen, denn er hat ihn beim Pedell verschuftet, daß er ihn mit
    einer Zigarre gesehen hatte.
    Ich sagte, er solle warten bis nach der Kommunion, weil
    ich mittun möchte, aber Fritz sagte, daß er nicht beten kann,
    vor er das Fenster kaputt geschmissen hat, weil er voll Zorn
    ist.
    Der Rettenberger lacht immer, wenn er ihn sieht, und ge-
    stern hat er ihm nachgeschrien: „Gelt, ich hab dich schön
    erwischt, du Lausbub, du miserabliger.“
    Da habe ich denn Fritz recht gegeben, weil es eine solche
    Gemeinheit ist, und ich hätte so gerne mitgetan.
    Aber es ging nicht, denn ich habe mich schon acht Tage
    lang vorbereitet, und da hätte ich wieder von vorne anfangen
    müssen. Das ist gar nicht leicht.
    Die Tante Fanny hat Obacht gegeben, daß ich nicht aus-
    lasse. Sie hat mir recht wenig zum Essen gegeben, weil man
    sich täglich einmal abtöten muß, aber die Magd hat zu mir
    gesagt, daß sie ein Knack ist und sparen will.
    Vor dem Bettgehen habe ich Gewissenserforschung trei-
    ben müssen; da habe ich den Beichtspiegel vorgelesen, und
    der Onkel Pepi und die Tante haben alles erklärt. Der Onkel
    Pepi ist ganz heilig. Er ist Sekretär am Gericht, aber er sagt
    oft, daß er ein Pfarrer hat werden wollen, aber weil er kein
    Geld hatte, ist er mit dem Studieren nicht fertig geworden.
    Wie er einmal mit der Tante recht gestritten hat, da hat
    die Tante gesagt, daß er zu dumm war für das Gymnasium.
    Der Falkenberg mag ihn gerne, weil er alle Tage in die Kirche
    geht und ihm alles sagt, was die Leute im Wirtshaus reden.
    Meine Mutter hat ihm geschrieben, daß er mich unter-
    stützt und belehrt für die heilige Handlung, damit ich so
    fromm werde wie er.
    Das hat ihn gefreut, und er ist alle Tage bis neun Uhr
    dageblieben und hat gepredigt. Dann ist er in das Wirtshaus
    gegangen.
    Einmal hat er aus einem Buche vorgelesen, daß man täg-
    lich sein Gewissen erforschen muß und es machen soll wie
    der heilige Ignatius.
    Er hat alle Sünden in ein Büchlein geschrieben und es un-
    ter sein Kopfkissen gesteckt.
    Das habe ich auch getan; aber da habe ich es vergessen,
    und wie ich aus der Klasse heimkam, hat mich der Onkel
    Pepi gerufen und gesagt: „Du hast voriges Jahr aus meiner
    Hosentasche zwei Mark gestohlen.“ Da habe ich gemerkt,
    daß er meine Gewissenserforschung gelesen hat, aber es wa-
    ren bloß sechzig Pfennig.
    Die Tante hat gesagt, weil es ein Beichtgeheimnis ist, darf
    man es meiner Mutter nicht schreiben.
    Da war ich froh. Nach dem Essen hat der Onkel das
    Seelenbad vorgelesen, wo eine Geschichte darin stand vom
    heiligen Antonius. Zu dem ist ein Mann gekommen, der
    viele Sünden hatte, und hat beichten wollen. Der Heilige hat
    ihm angeschafft, daß er seine Sünden aufschreibt, und das
    tat der Mann.
    Wie er dann seine Sünden gelesen hat, ist jedesmal eine
    Sünde, die er reumütig gebeichtet hat, von unsichtbarer Hand
    ausgelöscht worden.
    Der Onkel hat die Geschichte zweimal vorgelesen, und
    dann hat er zur Tante gesagt:
    „Liebe Fanny, es ist auch für uns eine Lehre in diesem
    wunderbaren Vorfalle. Wenn Gott die Sünden verzeiht, müs-
    sen wir dem Beispiele folgen.“
    „Aber seine Mutter muß es ersetzen“, sagte die Tante.
    „Natürlich,“ sagte der Onkel, „das ist notwendig wegen
    der Gerechtigkeit.“
    „Und du sollst nicht so viel Geld in den Hosensack stecken,“
    sagte die Tante, „warum nimmst du so viel in das Wirtshaus
    mit? Drei Glas Bier sind genug für dich, das macht sechs-
    unddreißig Pfennig, aber natürlich, ihr müßt ja der Kellnerin
    ein Trinkgeld geben, als wenn du etwas zum Verschenken
    hättest mit
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