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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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schmeißt.“
    „Was bin ich?“ fragte der große Herr.
    „Sie sind ein gemeiner Lügner,“ sagte der Kondukteur, „ich
    habe es nicht erlaubt.“
    „Tun Sie nicht so schimpfen,“ sagte der Expeditor, „wir
    müssen es mit Ruhe abmachen.“
    Alle Leute im Wagen haben durcheinander geschrien, daß
    wir solche Lausbuben sind, und daß man uns arretieren muß.
    Am lautesten hat der Lehrer gebrüllt, und er hat immer gesagt,
    er ist selbst ein Schulmann. Ich habe nichts sagen können,
    weil mir so schlecht war, aber der Fritz hat für mich geredet,
    und er hat den Expeditor gefragt, ob man arretiert werden
    muß, wenn man auf einem Bahnhof eine giftige Wurst kriegt.
    Zuletzt hat der Expeditor gesagt, daß ich nicht arretiert
    werde, aber daß das Trittbrett gereinigt wird, und ich muß es
    bezahlen. Es kostet eine Mark. Dann ist der Zug wieder ge-
    fahren, und ich habe immer den Kopf zum Fenster hinausge-
    halten, daß es mir besser wird.
    In Endorf ist der Fritz ausgestiegen, und dann ist meine
    Station gekommen.
    Meine Mutter und Ännchen waren auf dem Bahnhof und
    haben mich erwartet.
    Es ist mir noch immer ein bißchen schlecht gewesen und
    ich habe so Kopfweh gehabt.
    Da war ich froh, daß es schon Nacht war, weil man nicht
    gesehen hat, wie ich blaß bin. Meine Mutter hat mir einen
    Kuß gegeben und hat gleich gefragt: „Nach was riechst du,
    Ludwig?“ Und Ännchen fragte: „Wo hast du deinen Hut,
    Ludwig?“ Da habe ich gedacht, wie traurig sie sein möchten,
    wenn ich ihnen die Wahrheit sage, und ich habe gesagt, daß
    ich in Mühldorf eine giftige Wurst gegessen habe, und daß
    ich froh bin, wenn ich einen Kamillentee kriege.
    Wir sind heimgegangen, und die Lampe hat im Wohn-
    zimmer gebrannt, und der Tisch war aufgedeckt.
    Unsere alte Köchin Theres ist hergelaufen, und wie sie
    mich gesehen hat, da hat sie gerufen: „Jesus Maria, wie schaut
    unser Bub aus? Das kommt davon, weil Sie ihn so viel studie-
    ren lassen, Frau Oberförster.“
    Meine Mutter sagte, daß ich etwas Unrechtes gegessen
    habe, und sie soll mir schnell einen Tee machen. Da ist die The-
    res geschwind in die Küche, und ich habe mich auf das Kana-
    pee gesetzt. Unser Bürschel ist immer an mich hinaufgesprun-
    gen und hat mich abschlecken gewollt. Und alle haben sich
    gefreut, daß ich da bin. Es ist mir ganz weich geworden, und
    wie mich meine liebe Mutter gefragt hat, ob ich brav gewesen
    bin, habe ich gesagt, ja, aber ich will noch viel braver werden.
    Ich sagte, wie ich die giftige Wurst drunten hatte, ist
    mir eingefallen, daß ich vielleicht sterben muß, und daß die
    Leute meinen, es ist nicht schade darum. Da habe ich mir
    vorgenommen, daß ich jetzt anders werde und alles tue, was
    meiner Mutter Freude macht, und viel lerne und nie keine
    Strafe mehr heimbringe, daß sie alle auf mich stolz sind.
    Ännchen schaute mich an und sagte: „Du hast gewiß ein
    furchtbar schlechtes Zeugnis heimgebracht, Ludwig?“
    Aber meine Mutter hat es ihr verboten, daß sie mich aus-
    spottet, und sie sagte: „Du sollst nicht so reden, Ännchen,
    wenn er doch krank war und sich vorgenommen hat, ein
    neues Leben zu beginnen. Er wird es schon halten und mir
    viele Freude machen.“ Da habe ich weinen müssen, und die
    alte Theres hat es auch gehört, daß ich vor meinem Tod sol-
    che Vorsätze genommen habe. Sie hat furchtbar laut geweint,
    und hat geschrien: „Es kommt von dem vielen Studieren, und
    sie machen unsern Buben noch kaputt.“ Meine Mutter hat
    sie getröstet, weil sie gar nicht mehr aufgehört hat.
    Da bin ich ins Bett gegangen, und es war so schön, wie
    ich darin gelegen bin. Meine Mutter hat noch bei der Türe
    hereingeleuchtet und hat gesagt: „Erhole dich recht gut,
    Kind.“ Ich bin noch lange aufgewesen und habe gedacht, wie
    ich jetzt brav sein werde.
    Gute Vorsätze
    Ich war auf einmal furchtbar fromm. Drei Wochen lang hat
    uns der Religionslehrer Falkenberg vorbereitet auf die heilige
    Kommunion, und ich habe zum Fritz gesagt: „Wir müssen
    ein anderes Leben anfangen.“
    Den Fritz hat es auch gepackt, weil der Falkenberg einmal
    so weinte und sagte, er kann es nicht verantworten, einen
    verdorbenen Knaben zum Tisch des Herrn zu schicken.
    Weil neulich vor dem Kommunionunterricht an die Tür-
    schnalle Senf hingeschmiert war und der Religionslehrer
    meinte, es ist etwas anderes.
    Ich habe gewußt, daß es der Fritz getan hat, und ich habe
    mich schon gefreut, daß der Falkenberg eingegangen ist, aber
    er hat uns
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