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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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probierte noch einmal
    mit Max, wer schneller fertig ist.
    Er verlor wieder und kriegte einen roten Kopf, wie er aus-
    getrunken hatte. Dann gab es einen Braten mit Salat.
    Auf einmal klopfte es wieder, und Onkel Franz stand auf.
    Er sagte, daß eine Eheschließung sehr erhaben ist, wenn sie
    noch in der Kirche gemacht wird und ein Diener Gottes da-
    bei ist.
    Wenn aber die Kinder katholisch erzogen werden, ist es
    ein Verdienst der Eltern.
    Darum, sagte er, nach dem jungen Ehepaar muß man an
    die Alten denken, besonders an die Frau, welche das Mädchen
    so trefflich erzogen hat; und er ließ meine Mutter leben.
    Das freute mich furchtbar, und ich schrie recht laut und
    ging auch mit meinem Weinglas zu ihr hin. Sie war aufge-
    standen, und ihr gutes Gesicht war ganz rot, wie sie mit al-
    len anstieß. Sie sagte immer: „Das hätte mein Mann noch
    erleben müssen“, und Onkel Hans stieß fest mit ihr an und
    sagte: „Ja, der müßte von Rechts wegen dasitzen, und du bist
    eine liebe alte Haut.“ Dann trank er sein Glas auf einmal aus
    und schüttelte jedem die Hand, der an ihm vorbeikam, und
    sagte immer wieder: „Weiß der Teufel, der müßte dasitzen!“
    Wir kriegten noch ein Brathuhn und Kuchen und Gefrore-
    nes, und der Kellner ging herum und schenkte Champagner
    ein. Ich sagte zum Max: „Da ist es viel härter, auf einmal
    auszutrinken, weil es so beißt.“ Er probierte es, und es ging
    auch, aber ich tat nicht mit, sondern ich setzte mich zum
    Onkel Hans hinüber.
    Alle waren lustig, besonders die jungen Mädchen lachten
    recht laut und stießen immer wieder an. Aber Tante Frieda
    schaute herum und redete eifrig mit Tante Gusti. Ich hörte,
    wie sie sagte, daß man zu ihrer Zeit nicht so frei gewesen
    ist.
    Und Tante Gusti sagte, die Hochzeit ist eigentlich ein
    bißchen verschwenderisch, aber die Schwägerin hat immer
    für ihre Kinder zu viel Aufwand gemacht.
    Da klopfte es wieder, und Onkel Franz stand auf und
    sagte, daß sein Sohn Max zu Ehren seines verehrten Lehrers,
    des glücklichen Bräutigams, ein Gedicht vortragen wird.
    Alles war still, und Max stand auf und probierte anzufan-
    gen. Aber er konnte nicht, weil er umfiel und käsweiß war.
    Da gab es ein rechtes Geschrei, und Tante Gusti schrie
    immer: „Was hat das Kind?“
    Die meisten lachten, weil sie sahen, daß es ein Rausch war,
    und Tante Frieda half mit, daß sie den Max in das Nebenzim-
    mer brachten. Sie legten ihn auf das Sofa, und es wurde ihm
    schlecht, und Tante Frieda blieb lange aus, weil sie ihr Kleid
    putzen mußte. Wie sie hereinkam, sagte sie zu mir, daß ihr
    Anna schon gesagt hat, daß ich schuld bin, aber niemand
    paßte auf, weil der Bindinger und Marie fortgingen.
    Marie weinte auf einmal furchtbar und fiel immer wieder
    der Mutter um den Hals. Und der Bindinger stand daneben
    und machte ein Gesicht, wie bei einem Begräbnis. Die Mut-
    ter sagte zu Marie: „Nun bist du ja glücklich, Kindchen! Nun
    hast du ja einen braven Mann.“
    Und zum Bindinger sagte sie: „Du machst sie glücklich,
    gelt? Das versprichst du mir?“
    Der Bindinger sagte: „Ja, ich will es mit Gott versuchen.“
    Dann mußte Marie von den Tanten Abschied nehmen,
    und unsere Cousine Lottchen, die schon vierzig Jahre alt ist,
    aber keinen Mann hat, weinte am lautesten.
    Endlich konnten sie gehen. Der Bindinger ging voran und
    Marie trocknete sich die Tränen und winkte meiner Mutter
    unter der Türe noch einmal zu.
    „Da geht sie“, sagte meine Mutter ganz still für sich.
    Und Lottchen stand neben ihr und sagte: „Ja, wie ein
    Lamm zur Schlachtbank.“
    Besserung
    Wie ich in die Ostervakanz gefahren bin, hat die Tante Fanny
    gesagt: „Vielleicht kommen wir zum Besuch zu deiner Mut-
    ter. Sie hat uns so dringend eingeladen, daß wir sie nicht be-
    leidigen dürfen.“
    Und Onkel Pepi sagte, er weiß es nicht, ob es geht, weil er
    soviel Arbeit hat, aber er sieht es ein, daß er den Besuch nicht
    mehr hinausschieben darf. Ich fragte ihn, ob er nicht lieber
    im Sommer kommen will, jetzt ist es noch so kalt, und man
    weiß nicht, ob es nicht auf einmal schneit. Aber die Tante
    sagte: „Nein, deine Mutter muß böse werden, wir haben es
    schon so oft versprochen.“ Ich weiß aber schon, warum sie
    kommen wollen; weil wir auf Ostern das Geräucherte haben
    und Eier und Kaffeekuchen, und Onkel Pepi ißt so furchtbar
    viel. Daheim darf er nicht so, weil Tante Fanny gleich sagt,
    ob er nicht an sein Kind denkt. Sie haben mich an den
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