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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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sagte: „Du hast ja heute deinen Granatschmuck an.
    Das können wir freilich nicht.“
    Am meisten hat es mich gefreut, daß der Onkel Hans kam
    mit Tante Anna. Er ist Förster, und ich war schon in der Va-
    kanz bei ihm. Er war lustig mit mir und hat immer gelacht,
    wenn ich ihm die Tante Frieda vormachte; die verdammte
    Wildkatze, sagte er. Heute hatte er einen Hemdkragen an
    und fuhr alle Augenblicke mit der Hand an seinen Hals. Ich
    glaube, er war verlegen, weil so viele Fremde da standen, und
    ging immer in die Ecke.
    Die Sakristei wurde immer voller. Von unserem Gymna-
    sium kamen der Mathematikprofessor und der Schreiblehrer.
    Und dann die Verwandten vom Bindinger; zwei Schwestern
    von ihm und ein Bruder, der Turnlehrer an der Realschule
    ist und die Brust furchtbar herausstreckte. Mit den Herren
    fuhren immer junge Mädchen, die ich nicht kannte. Nur
    eine kannte ich, die Weinberger Rosa, eine gute Freundin von
    Marie.
    Alle hatten Blumensträuße; die hielten sie sich immer vor
    das Gesicht und kicherten recht dumm, wenn es auch gar
    nichts zum Lachen gab.
    Jetzt kam meine Mutter mit dem Onkel Pepi, der Zoll-
    rat ist, und gleich darauf der Bindinger und Marie und der
    Brautführer. Das war ein pensionierter Hauptmann und ein
    entfernter Verwandter vom Bindinger. Er hatte eine Uniform
    an mit Orden, und Tante Frieda sagte zu Tante Gusti: „Na,
    Gott sei Dank, daß sie einen Offizier aufgegabelt haben.“
    Die Türe von der Sakristei wurde aufgemacht, und wir
    mußten in einem Zug in die Kirche.
    Der Bindinger und Marie knieten in der Mitte vor dem
    Altar, und der Pfarrer kam heraus und hielt eine Rede und
    fragte sie, ob sie verheiratet sein wollen. Marie sagte ganz
    leise ja, aber der Bindinger sagte es mit einem furchtbaren
    Baß. Dann wurde eine Messe gelesen, die dauerte so lange,
    daß es mir fad wurde.
    Ich schaute zum Onkel Hans hinüber, der von einem
    Bein auf das andere stand und in seinen Hut hineinsah und
    räusperte und sich am Kopf kratzte.
    Dann sah er, daß ich ihn anschaute, und er blinzelte mit
    den Augen und deutete mit dem Daumen verstohlen auf die
    Tante Frieda hinüber. Und dann fletschte er mit den Zähnen,
    wie sie es immer macht. Ich konnte mich nicht mehr halten
    und mußte lachen. Der Bruder vom Bindinger klopfte mir
    auf die Schulter und sagte, ich solle mich anständiger betra-
    gen, und Tante Gusti stieß Tante Frieda an, daß sie zu mir
    herübersah, und dann schauten alle zwei ganz verzweifelt
    an die Decke und schüttelten ihre Köpfe.
    Endlich war es aus, und wir zogen alle in die Sakristei. Da
    ging das Gratulieren an; die Herren drückten dem Bindinger
    die Hand, und die Tanten und die Mädchen küßten alle die
    Marie.
    Und Tante Gusti und Tante Frieda gingen zu meiner
    Mutter, die daneben stand und weinte, und sagten, es ist ein
    glücklicher Tag für sie und alle.
    Dann umarmten sie auch meine Mutter und küßten sie,
    und Onkel Hans, der neben mir stand, hielt seinen Hut vor
    und sagte: „Gib acht, Ludwig, daß sie deine alte Mutter nicht
    beißen.“
    Ich mußte nun auch zum Bindinger hin und gratulie-
    ren. Er sagte: „Ich danke dir und ich hoffe, daß du dich von
    jetzt ab gründlich bessern wirst.“ Marie sagte nichts, aber
    sie gab mir einen herzhaften Kuß, und meine Mutter strich
    mir über den Kopf und sagte unter Tränen: „Gelt, Ludwig,
    das versprichst du mir, von heute ab wirst du ein anderer
    Mensch.“
    Ich hätte beinahe weinen müssen, aber ich tat es nicht,
    weil Tante Frieda nahe dabei war und ihre grünen Augen auf
    mich hielt. Aber ich nahm mir fest vor, meiner lieben Mutter
    keinen Verdruß mehr zu machen.
    Im Gasthaus zum Lamm war das Hochzeitsmahl. Ich saß
    zwischen Max und der Anna von Tante Frieda. Von meinem
    Platze aus sah ich Marie und den Bindinger; meine Mutter
    sah ich nicht, weil sie durch einen großen Blumenstrauß ver-
    steckt war. Zuerst gab es eine gute Suppe und dann einen
    großen Fisch. Dazu kriegten wir Weißwein, und ich sagte zu
    Max, er soll probieren, wer es schneller austrinken könnte. Er
    tat es, aber ich wurde früher fertig, und der Kellner kam und
    schenkte uns nochmal ein.
    Da klopfte Onkel Pepi an sein Glas und hielt eine Rede,
    daß die Familie ein schönes Fest feiert, indem sie ein auf-
    geblühtes Mädchen aus ihrer Mitte einem wackeren Manne
    gab und mit ihm ein Band knüpft und die Versicherung hat,
    daß es zum Guten führt. Und er ließ den Bindinger und Ma-
    rie hochleben. Ich schrie fest mit und
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