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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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es auf einmal, und die Marie wisperte meiner
    Mutter ins Ohr, und sie gingen schnell hinaus damit.
    Der Bindinger blieb herin, aber er setzte sich nicht zum
    Essen her, sondern ging auf und ab und machte ein ängstli-
    ches Gesicht.
    Dann rief er zur Tür hinaus: „Marie, es ist doch hoffent-
    lich nichts Ernsteres.“
    „Nein, nein!“ sagte Marie, „es ist schon vorbei.“
    Dann kamen sie wieder herein mit dem Kind, und meine
    Mutter sagte: „Die lange Bahnfahrt, und dann das Unge-
    wohnte, und die Aufregung! Das kommt alles zusammen.“
    Ich war froh, wie sie einmal saßen und das Kind auf dem
    Kanapee ließen, denn die Bratwürste waren schon kalt.
    Jetzt fingen wir an zu essen und zu trinken, und stießen
    mit den Gläsern auf fröhliche Ostern an.
    Meine Mutter sagte, daß sie schon lange nicht mehr so
    vergnügt gewesen ist, weil wir alle beisammen sind, und
    Marie so gut aussieht, und das herzige Mimili. Und ich hätte
    auch ein besseres Zeugnis heimgebracht als sonst.
    Ich mußte es dem Bindinger bringen, und er las es vor.
    „Der Schüler könnte bei seiner mäßigen Begabung durch
    größeren Fleiß immerhin Besseres leisten.“
    Dann kamen die Noten. Lateinische Sprache III.
    „Hm! Hm!“ sagte der Bindinger, „das entspricht meinen Er-
    wartungen. Mathematik II - III, griechische Sprache III - IV.“
    „Warum bist du hierin so schwach?“ fragte er mich.
    „Über das Griechische klagt Ludwig oft,“ sagte meine Mut-
    ter; „es muß sehr schwierig sein.“
    Ich wollte, sie hätte mich nicht verteidigt; denn der Bin-
    dinger redete jetzt so viel, daß mir ganz schlecht wurde.
    Er strich seinen Bart und tat, als ob er in der Schule
    wäre.
    „Wie kann man eine solche Ansicht äußern!“ sagte er. „Das
    ist sehr betrübend, wenn man diesen verkehrten Meinungen
    immer und immer wieder begegnet. Gerade die griechische
    Sprache ist wegen ihres Ebenmaßes und der Klarheit der
    Form hervorragend leicht. Sie ist spielend leicht zu erlernen!“
    „Warum hast du dann III - IV?“ fragte mich meine Mutter.
    „Du mußt jetzt sagen, wo es fehlt, Ludwig.“
    Ich war froh, daß der Bindinger nicht wartete, was ich
    sagen werde. Er legte ein Bein über das andere und sah auf
    die Decke hinauf und redete immer lauter.
    „Haha!“ sagte er, „die griechische Sprache ist schwierig! Ich
    wollte noch schweigen, wenn ihr den dorischen Dialekt im
    Auge hättet, da seine härtere Mundart gewisse Schwierigkei-
    ten bietet. Aber der attische, diese glückliche Ausbildung des
    altjonischen Dialektes! Das ist unerhört! Diese Behauptung
    zeugt von einem verbissenen Vorurteil!“
    Meine Mutter war ganz unglücklich und sagte immer:
    „Aber ich meinte bloß … aber weil Ludwig …“
    Marie half ihr auch und sagte: „Heini, du mußt doch den-
    ken, daß Mama es nicht böse meint.“
    Da hörte er auf, und ich dachte, daß er immer noch so
    dumm ist wie früher.
    „Heini ist furchtbar eifrig in seinem Beruf; sonst ist er so
    gut, aber da wird er gleich heftig“, sagte Marie, und meine
    Mutter war gleich wieder lustig.
    „Das muß sein,“ sagte sie, „in seinem Berufe muß man
    eifrig sein. Und du weißt jetzt, Ludwig, wie leicht das Grie-
    chische ist. Ja, was macht denn das kleine Mimili? Das sitzt
    so brav da und sagt gar nichts!“
    Das Mädel schaute meine Mutter an und lachte. Auf ein-
    mal machte es seinen Mund auf und sagte: „Gugu-dada.“
    Es strampelte mit den Beinen und streckte seine Hand
    dabei aus.
    Es war doch gar nichts, aber alle taten, als wenn ein Wun-
    der gewesen ist.
    Meine Mutter war ganz weg und rief immer: „Habt ihr
    gehört! Das Kind! Gugu-dada!“
    „Sie meint, der gute Papa. Gelt, Mimi? Und die liebe
    Omama!“ sagte Marie.
    „Nein, wie das Kind gescheit ist!“ sagte meine Mutter. „In dem
    Alter! Das habe ich noch nicht erlebt. Das liebe Herzchen!“
    Der Bindinger lachte auch, daß man seine großen Zähne
    sah. Er bückte sich über den Tisch und stach dem Mädchen
    mit dem Zeigefinger in den Bauch und sagte: „Wart, du
    Kleine, duzi, duzi!“ Und zu meiner Mutter sagte er: „Sie hat
    einen lebhaften Geist und beobachtet ihre Umgebung mit
    sichtlicher Teilnahme. Ich hoffe, daß sie sich in dieser Rich-
    tung weiter entwickelt.“
    Meine Mutter wollte, daß ich es auch sehe, aber ich war so
    giftig auf den Bindinger und fragte: „Was hat es denn gesagt?“
    „Hast du nicht gehört, wie sie ganz deutlich sagte: Gugu-
    Dada?“
    „Das ist doch gar nichts“, sagte
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