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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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einmal aufzuziehen, aber es hatte keine Luft mehr
    und ging schnell weg, um die Scheologie weiter zu studieren.
    Wir blieben schweigend zurück. Die glücklichen Eltern
    betrachteten die Wirkung, welche das alles auf meine Mut-
    ter gemacht hatte, und fanden es recht und billig, daß sie
    vollkommen breitgequetscht war. —
    Sie nahm in gedrückter Stimmung Abschied von den
    Vollbeckschen und verließ mit mir den Garten.
    Erst als wir daheim waren, fand sie ihre Sprache wieder.
    Sie strich mir zärtlich über den Kopf und sagte: „Armer Junge,
    du wirst das nicht durchmachen können.“
    Ich wollte sie trösten und ihr alles versprechen, aber sie
    schüttelte nur den Kopf.
    „Nein, nein, Ludwig, das wird nicht gehen.“
    Es ist dann doch gegangen, weil meine Schwester bald
    darauf den Professor Bindinger geheiratet hat.
    Onkel Franz
    Da bekam meine Mutter einen Brief von Onkel Franz, wel-
    cher ein pensionierter Major war. Und sie sagte, daß sie recht
    froh ist, weil der Onkel schrieb, er will schon einen ordentli-
    chen Menschen aus mir machen, und es kostet achtzig Mark
    im Monat. Dann mußte ich in die Stadt, wo Onkel wohnte.
    Das war sehr traurig. Es war über vier Stiegen, und es waren
    lauter hohe Häuser herum und kein Garten.
    Ich durfte nie spielen, und es war überhaupt niemand da.
    Bloß der Onkel Franz und die Tante Anna, welche den ganzen
    Tag herumgingen und achtgaben, daß nichts passierte. Aber
    der Onkel war so streng zu mir und sagte immer, wenn er
    mich sah: „Warte nur, du Lausbub, ich krieg dich schon noch.“
    Vom Fenster aus konnte man auf die Straße hinunter-
    spucken, und es klatschte furchtbar, wenn es daneben ging.
    Aber wenn man die Leute traf, schauten sie zornig herum
    und schimpften abscheulich. Da habe ich oft gelacht, aber
    sonst war es gar nicht lustig.
    Der Professor konnte mich nicht leiden, weil er sagte, daß
    ich einen sehr schlechten Ruf mitgebracht hatte.
    Es war aber nicht wahr, denn das schlechte Zeugnis war
    bloß deswegen, weil ich der Frau Rektor ein Brausepulver in
    den Nachthafen getan hatte. Das war aber schon lang, und
    der Professor hätte mich nicht so schinden brauchen.
    Der Onkel Franz hat ihn gut gekannt und ist oft hinge-
    gangen zu ihm. Dann haben sie ausgemacht, wie sie mich
    alle zwei erwischen können.
    Wenn ich wieder von der Schule heimkam, mußte ich
    mich gleich wieder hinsetzen und die Aufgaben machen.
    Der Onkel schaute mir immer zu und sagte: „Machst du
    es wieder recht dumm? Wart’ nur, du Lausbub, ich komm’
    dir schon noch.“
    Einmal mußte ich eine Arithmetikaufgabe machen. Die
    brachte ich nicht zusammen, und da fragte ich den Onkel,
    weil er zu meiner Mutter gesagt hatte, daß er mir nachhel-
    fen will. Und die Tante hat auch gesagt, daß der Onkel so
    gescheit ist, und daß ich viel lernen kann bei ihm.
    Deswegen habe ich ihn gebeten, daß er mir hilft, und er
    hat sie dann gelesen und gesagt: „Kannst du schon wieder
    nichts, du nichtsnutziger Lausbub? Das ist doch ganz leicht.“
    Und dann hat er sich hingesetzt und hat es probiert. Es
    ging aber gar nicht schnell. Er rechnete den ganzen Nach-
    mittag, und wie ich ihn fragte, ob er es noch nicht fertig hat,
    schimpfte er mich fürchterlich und war sehr grob.
    Erst vor dem Essen brachte er mir die Rechnung und sagte:
    „Jetzt kannst du es abschreiben; es war doch ganz leicht, aber
    ich habe noch etwas anderes tun müssen, du Dummkopf.“
    Ich habe es abgeschrieben und dem Professor gegeben. Am
    Donnerstag kam die Aufgabe heraus, und ich meinte, daß ich
    einen Einser kriege. Es war aber wieder ein Vierer, und das
    ganze Blatt war rot, und der Professor sagte: „So eine dumme
    Rechnung kann bloß ein Esel machen.“
    „Das war mein Onkel,“ sagte ich, „der hat es gemacht, und
    ich habe es bloß abgeschrieben.“ Die ganze Klasse hat gelacht,
    und der Professor wurde aber rot.
    „Du bist ein gemeiner Lüger,“ sagte er, „und du wirst noch
    im Zuchthaus enden.“ Dann sperrte er mich zwei Stunden
    ein. Der Onkel wartete schon auf mich, weil er mich immer
    durchhaute, wenn ich eingesperrt war. Ich schrie aber gleich,
    daß er schuld ist, weil er die Rechnung so falsch gemacht hat,
    und daß der Professor gesagt hat, so was kann bloß ein Esel
    machen.
    Da haute er mich erst recht durch, und dann ging er fort.
    Der Greither Heinrich, mein Freund, hat ihn gesehen, wie
    er auf der Straße mit dem Professor gegangen ist, und wie
    sie immer stehen blieben und der Onkel recht eifrig
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