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Lausbubengeschichten

Lausbubengeschichten

Titel: Lausbubengeschichten
Autoren: Ludwig Thoma
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geredet
    hat.
    Am nächsten Tag hat mich der Professor aufgerufen und
    sagte: „Ich habe deine Rechnung noch einmal durchgelesen;
    sie ist ganz richtig, aber nach einer alten Methode, welche
    es nicht mehr gibt. Es schadet dir aber nichts, daß du einge-
    sperrt warst, weil du es eigentlich immer verdienst, und weil
    du beim Abschreiben Fehler gemacht hast.“
    Das haben sie miteinander ausgemacht, denn der Onkel
    sagte gleich, wie ich heimkam: „Ich habe mit deinem Profes-
    sor gesprochen. Die Rechnung war schon gut, aber du hast
    beim Abschreiben nicht aufgepaßt, du Lausbub.“
    Ich habe schon aufgepaßt, es war nur ganz falsch.
    Aber meine Mutter schrieb mir, daß ihr der Onkel ge-
    schrieben hat, daß er mir nicht mehr nachhelfen kann, weil
    ich die einfachsten Rechnungen nicht abschreiben kann, und
    weil er dadurch in Verlegenheit kommt.
    Das ist ein gemeiner Mensch.
    Der Meineid
    Werners Heinrich sagte, seine Mama hat ihm den Umgang
    mit mir verboten, weil ich so was Rohes in meinem Beneh-
    men habe, und weil ich doch bald davon gejagt werde. Ich
    sagte zu Werners Heinrich, daß ich auf seine Mama pfeife,
    und ich bin froh, wenn ich nicht mehr hin muß, weil es in
    seinem Zimmer so muffelt.
    Dann sagte er, ich bin ein gemeiner Kerl, und ich gab ihm
    eine feste auf die Backe und ich schmiß ihn an den Ofen-
    schirm, daß er hinfiel.
    Und dann war ihm ein Zahn gebrochen, und die Samthose
    hatte ein großes Loch über dem Knie.
    Am Nachmittag kam der Pedell in unsere Klasse und mel-
    dete, daß ich zum Herrn Rektor hinunter soll.
    Ich ging hinaus und schnitt bei der Türe eine Grimasse,
    daß alle lachen mußten. Es hat mich aber keiner verschuftet,
    weil sie schon wußten, daß ich es ihnen heimzahlen würde.
    Werners Heinrich hat es nicht gesehen, weil er daheim blieb,
    weil er den Zahn nicht mehr hatte.
    Sonst hätte er mich schon verschuftet.
    Ich mußte gleich zum Herrn Rektor hinein, der mich mit
    seinen grünen Augen sehr scharf ansah.
    „Da bist du schon wieder, ungezogener Bube,“ sagte er,
    „wirst du uns nie von deiner Gegenwart befreien?“
    Ich dachte mir, daß ich sehr froh sein möchte, wenn ich
    den ekelhaften Kerl nicht mehr sehen muß, aber er hatte
    mich doch selber gerufen.
    „Was willst du eigentlich werden,“ fragte er, „du verrohtes
    Subjekt? Glaubst du, daß du jemals die humanistischen Stu-
    dien vollenden kannst?“
    Ich sagte, daß ich das schon glaube. Da fuhr er mich aber
    an und schrie so laut, daß es der Pedell draußen hörte und es
    allen erzählte. Er sagte, daß ich eine Verbrechernatur habe,
    und eine katilinarische Existenz bin, und daß ich höchstens
    ein gemeiner Handwerker werde, und daß schon im Alter-
    tum alle verworfenen Menschen so angefangen haben wie
    ich.
    „Der Herr Ministerialrat Werner war bei mir“, sagte er,
    „und schilderte mir den bemitleidenswerten Zustand seines
    Sohnes“, und dann gab er mir sechs Stunden Karzer als Rek-
    toratsstrafe wegen entsetzlicher Roheit. Und meine Mutter
    bekam eine Rechnung vom Herrn Ministerialrat, daß sie
    achtzehn Mark bezahlen mußte für die Hose.
    Sie weinte sehr stark, nicht wegen dem Geld, obwohl sie
    fast keines hatte, sondern weil ich immer wieder was an-
    fange. Ich ärgerte mich furchtbar, daß meine Mutter so viel
    Kummer hatte und nahm mir vor, daß es Werners Heinrich
    nicht gut gehen soll.
    Die zerrissene Hose hat uns der Herr Ministerialrat nicht
    gegeben, obwohl er eine neue verlangte.
    Am nächsten Sonntag nach der Kirche wurde ich auf dem
    Rektorat eingesperrt. Das war fad.
    In dem Zimmer waren die zwei Söhne vom Herrn Rektor.
    Der eine mußte übersetzen und hatte lauter dicke Bücher auf
    seinem Tische, in denen er nachschlagen mußte. Jedesmal,
    wenn sein Vater hereinkam, blätterte er furchtbar schnell
    um und fuhr mit dem Kopfe auf und ab.
    „Was suchst du, mein Sohn?“ fragte der Rektor. Er antwor-
    tete nicht gleich, weil er ein Trumm Brot im Munde hatte. Er
    schluckte es aber doch hinunter und sagte, daß er ein griechi-
    sches Wort suche, welches er nicht finden kann.
    Es war aber nicht wahr; er hatte gar nicht gesucht, weil er
    immer Brot aus der Tasche aß. Ich habe es ganz gut gesehen.
    Der Rektor lobte ihn aber doch und sagte, daß die Götter
    den Schweiß vor die Tugend hinstellen, oder so was.
    Dann ging er zum andern Sohn, welcher an einer Staffe-
    lei stand und zeichnete. Das Bild war schon beinah fertig. Es
    war eine Landschaft mit einem See und viele Schiffe darauf.
    Die
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