Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Autoren: Laurence Sterne
Vom Netzwerk:
ein Paar Mal geschah, dass er eine vergaß oder eine andere zwei Mal zählte, so war er, ehe er über den Mittelfinger hinauskam, vollständig daraus gekommen. – Bitte, Trim, sagte er und nahm seine Pfeife wieder, bring' mir einmal Feder und Tinte. – Trim brachte auch Papier.
    Nimm einen ganzen Bogen, Trim, sagte mein Onkel Toby und machte ihm ein Zeichen mit der Pfeife, dass er einen Stuhl nehmen und sich neben ihn an den Tisch setzen solle. Der Korporal gehorchte, – legte das Papier gerade vor sich hin, – nahm eine Feder und tunkte sie in die Tinte.
    Sie hat tausend Tugenden, Trim, sagte mein Onkel Toby.
    Soll ich sie niederschreiben, Euer Gnaden? fragte der Korporal.
    Sie müssen aber nach ihrem Rang aufnotiert werden, erwiderte mein Onkel Toby, denn von ihnen allen, Trim gewinnt mich am meisten das Mitgefühl und die hervorragende Menschenfreundlichkeit in ihrem Charakter; sie ist eine Bürgschaft für alles Übrige. – Wahrlich! setzte mein Onkel Toby hinzu und sah bei dieser Beteuerung gegen die Zimmerdecke empor, wahrlich, wenn ich tausend Mal ihr Bruder wäre, Trim, hätte sie sich nicht öfter, eindringlicher, zartfühlender nach meinen Leiden erkundigen können, – obschon diese vorüber sind.
    Der Korporal erwiderte nichts auf die Beteuerung meines Onkels Toby, hustete nur ein Paar Mal, – tauchte dann seine Feder nochmals in das Tintenfass, und schrieb, als mein Onkel Toby mit der Spitze seiner Pfeife in die linke Ecke des Bogens und soweit oben als möglich deutete, – das Wort Menschenfreundlichkeit – mit Frakturbuchstaben nieder.
    Hör, Korporal, sagte mein Onkel Toby, sobald Trim damit fertig war, – wie oft fragt dich Jungfer Brigitte nach der Wunde auf deiner Kniescheibe, die du in der Schlacht bei Landen erhieltst?
    Sie hat noch gar nicht danach gefragt, Euer Gnaden.
    Siehst du, Korporal, sagte mein Onkel Toby, in so triumphierender Weise als sich dies mit der Gutherzigkeit seines Wesens vertrug, – daraus geht der Unterschied im Charakter der Gebieterin und ihres Mädchens deutlich hervor. – Hätte das Kriegsgeschick ein solches Unglück mir zugeteilt, so würde sich Frau Wadman hundert Mal nach jedem einzelnen Umstand erkundigt haben. – Aber zehn Mal mehr hätte sie sich doch nach Euer Gnaden Schambein erkundigt. – Ei Trim, der Schmerz ist gleich martervoll, – und für ein fühlendes Herz ist die eine Wunde gleich der andern.
    Gott segne Euer Gnaden! rief der Korporal, – aber was hat denn das Mitgefühl eines Frauenzimmers mit einer Wunde auf eines Mannes Kniescheibe zu schaffen? Wenn Euer Gnaden Knie in der Schlacht bei Landen zu zehntausend Splittern zerschossen worden wäre, so würde sich Frau Wadman ebensowenig den Kopf darüber zerbrochen haben wie Brigitte; denn, setzte der Korporal mit leiserer Stimme aber sehr deutlich hinzu –
    Das Knie ist ziemlich weit vom Mittelpunkt entfernt, – während das Schambein, wie Euer Gnaden wohl wissen, gerade in der Courtine der Festung liegt.
    Mein Onkel Toby tat einen langen Pfiff, – aber so gedämpft, dass man ihn kaum über den Tisch hinüber hören konnte.
    Der Korporal war zu weit vorgegangen, um sich zurückziehen zu können; – in drei Worten hatte er das Übrige erzählt.
    Mein Onkel Toby legte seine Pfeife so sachte auf das Kamin, als ob sie aus den Fäden eines Spinnengewebes gemacht wäre.
    Wir wollen zu meinem Bruder Shandy hinüber, sagte er.
     
    311. Kapitel
    Während mein Onkel Toby und Trim zu meinem Vater hinüber spazieren, kann ich dem geneigten Leser mitteilen, dass Frau Wadman schon einige Monate vor diesem Ereignis meine Mutter ins Vertrauen gezogen hatte; und dass Jungfer Brigitte, welche die Last ihres eigenen Geheimnisses, sowie desjenigen ihrer Gebieterin zu tragen hatte, diese beiden hinter der Gartenmauer glücklich an Susanna losgeworden war.
    Was meine Mutter anbelangt, so fand sie nicht den mindesten Grund, deshalb einen Lärm aufzuschlagen; – Susanna dagegen war für sich allein vollkommen genügend, um ein Familiengeheimnis zu all den Zwecken und Absichten, die man etwa dabei haben konnte, in Umlauf zu setzen; denn sie teilte es sofort durch Zeichen Jonatan mit; – Jonatan brachte es bei der Köchin an, während sie eine Hammelslende beträufelte; die Köchin verkaufte es nebst einigem Bratenfett für einen Groschen an den Postillon; dieser verhandelte es für etwas von dem gleichen Wert an das Milchmädchen; – und obschon es nur auf dem Heuboden geflüstert wurde, fing doch Fama die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher