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Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)

Titel: Laurence Sterne: Tristram Shandy (Jubiläumsausgabe zum 300. Geburtstag des Autors) [kommentiert] (German Edition)
Autoren: Laurence Sterne
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Wadman fort, – so glücklich ist durch sich selbst, durch seine Freunde und seine Beschäftigung, so möchte ich wohl wissen, was für Gründe Sie dazu veranlassen?
    Sie stehen in dem Trauungsritual, sagte mein Onkel Toby.
    Soweit ging mein Onkel Toby vorsichtig vor und blieb in seinem Fahrwasser, während er Frau Wadman nach Belieben im Golf herumsegeln ließ.
    Was nun die Kinder betrifft, sagte Frau Wadman, so sind sie ja wohl ein Hauptzweck dieser Einrichtung und ohne Zweifel der natürliche Wunsch aller Eltern, – aber ist es nicht Erfahrungssache, dass man von ihnen sichern Kummer und sehr unsichere Freuden hat? Was entschädigt uns für so manches Herzeleid, lieber Herr, – wo liegt die Vergeltung für die vielen zärtlichen und beunruhigenden Besorgnisse einer duldenden und schutzlosen Mutter, die sie zur Welt bringt?
    Das weiß ich wirklich nicht, sagte mein Onkel Toby voll Mitleid; vielleicht durch das Vergnügen, das der gütige Gott in –
    Nicht der Rede wert! fiel sie ein!
     
    Das 298. Kapitel
    Es gibt so unendlich viele Tonarten, Melodien, Rhythmen, Accente und Blicke, womit dieses: Nicht der Rede wert! in solchen Fällen ausgesprochen werden kann, und eine jede dieser Tonarten gibt einen so verschiedenen Sinn, einen von der andern so abweichenden Begriff wie Schmutz von Reinlichkeit, – dass Casuisten (denn in dieser Beziehung gehört die Redensart zu den Gewissensfällen) nicht weniger als 14,000 Fälle aufzählen, in denen man es recht oder unrecht aussprechen kann.
    Frau Wadman hatte mit ihrem: Nicht der Rede wert: meinem Onkel Toby all sein keusches Blut in die Wangen getrieben. Er fühlte, dass er irgendwie über sein Fahrwasser hinausgeraten sein müsse, und hielt deshalb schnell inne. Dann legte er, ohne weiter auf die Freuden und Leiden des Ehestands einzugehen, die Hand aufs Herz, und sprach sich dahin aus, dass er sie nehmen wolle wie sie eben kämen, und sie mit ihr zu teilen wünsche.
    Nachdem mein Onkel Toby dies einmal gesagt hatte, wollte er es nicht nochmals sagen, und da sein Auge auf die Bibel fiel, welche Frau Wadman auf den Tisch gelegt hatte, nahm er sie in die Hand. Die gute Seele erwischte gerade eine Stelle, die für ihn die allerinteressanteste war, nämlich die Belagerung von Jericho; er begann daher sie zu lesen und ließ seinen Heiratsantrag, wie anfangs seine Liebeserklärung, von selbst weiter wirken. – Er wirkte aber weder in festziehender noch in auflösender Weise, weder wie Opium, noch wie Chinarinde, noch wie Merkur, noch wie Wegedorn oder irgend sonst ein Heilmittel, das die Natur der Welt geschenkt hat; kurz er wirkte eben gar nicht. – Der Grund hiervon war aber, dass schon vorher etwas Anderes in ihr wirkte. – Ich Schwätzer habe schon ein Dutzend Mal darauf hingedeutet, der Gegenstand ist aber immer noch nicht erschöpft. – Allons!
     
    305. Kapitel
    Es ist sehr natürlich, dass jemand, der vollkommen fremd im Lande ist, und von London nach Edinburgh reisen will, vor seiner Abreise fragt, wie viele Meilen es bis York sei, was ungefähr in der Mitte des Weges liegt, – auch wird sich Niemand wundern, wenn er dann weiter nach den Einrichtungen jener Stadt u. s. w. fragt.
    Ebenso natürlich war es, dass Frau Wadman, deren erster Mann die ganze Zeit mit Hüftweh behaftet gewesen, zu wissen wünschte, wie weit es von der Hüfte nach dem Schambein sei; und ob sie wohl dies Mal ebenso in ihren Gefühlen benachteiligt werden würde wie das erste Mal.
    Zu dem Ende hatte sie die Anatomie von Drake von einem Ende zum andern durchgelesen. Sie hatte in Wharton über Gehirnkrankheiten geblättert und Graaf über Knochen und Muskeln [Anm.: Herr Shandy muss sich hier irren; Graaf schrieb über den Brustdrüsensaft und die Zeugungsteile] entlehnt; aber sie vermochte nichts damit anzufangen.
    Sie hatte dann in selbstständiger Weise über die Sache nachgesonnen, – Theorien abgestellt, – Schlüsse gezogen, – war aber zu keinem rechten Ergebnis gelangt.
    Um sich endlich ganz klar zu werden, hatte sie Dr. Slop zwei Mal gefragt: Ob der arme Kapitain Shandy wohl jemals von seiner Wunde hergestellt würde?
    Er ist hergestellt, pflegte Dr. Slop zu sagen.
    Vollständig?
    Vollständig, Madame.
    Was verstehen Sie unter hergestellt? pflegte dann Frau Wadman zu fragen.
    Dr. Slop verstand sich auf nichts weniger als auf Definitionen; so konnte Frau Wadman nichts von ihm erholen.
    Kurz es blieb schließlich nichts übrig als es aus meinem Onkel Toby selbst heraus zu
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