Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Laura - Venezianisches Maskenspiel

Titel: Laura - Venezianisches Maskenspiel
Autoren: Mona Vara
Vom Netzwerk:
blätterte es zuerst rasch durch, betrachtete die mit einer zierlichen Handschrift eng beschriebenen Seiten. Seine Frau führte tatsächlich ein Tagebuch! Er lächelte über diese Gewohnheit, die sie wohl mit sehr vielen ihrer Geschlechtsgenossinnen teilte. Er hatte keine Gewissensbisse, weil er es las. Schließlich hatte Laura es Ottavio gegeben, damit es ihre Unschuld beweisen sollte – und musste auch damit rechnen, dass die Inquisitoren es lasen. Also konnte sie auch nichts dagegen haben, wenn ihr Ehemann das ebenso tat.
    Er überflog die ersten Seiten, die noch aus ihrer Zeit im Kloster stammten.
    „... ach, ... könnte ich doch nur die Liebe erleben!“, schrieb seine Frau in dieser rührend ungelenken Schrift, „die wunderbare Romantik dieses Gefühls auskosten! Wie sehr beneide ich jede Frau, in deren Ohr süße Geheimnisse geflüstert werden, die Briefe glühender Leidenschaft von einem Verehrer erhält! Ich dagegen ... oh, ich unglückliches Geschöpf muss darben ...“
    „Kleine Närrin“, murmelte er, aber es klang sehr liebevoll, als er neugierig weiterblätterte, dabei großzügig über orthographische Unvollkommenheiten hinwegsehend. Mitleid mit seiner Frau stieg ihn ihm auf, die sich zweifellos in der Abgeschiedenheit ihres bisherigen Lebens vollkommen unrealistische Träume von der Welt, dem Leben in Venedig und der Ehe gemacht hatte. Und dann war sie aus allen Träumen in seine Arme gefallen. Arme, die sie nicht fest und liebevoll genug gehalten hatten.
    Endlich blieben seine Augen an einigen Sätzen hängen, die ihn unwillkürlich schlucken ließen. Da wurde er selbst beschrieben. Das erste Treffen im Gesprächszimmer. Er runzelte die Stirn. Das waren nicht die Worte, die er sich aufgrund ihres Benehmens erwartet hatte. Ganz im Gegenteil. Sie schrieb davon, welch großen Eindruck er auf sie gemacht hatte und schien in ihm den Inbegriff all ihrer Träume zu sehen. Er fuhr sich über die Stirn. Laura war damals, vor ihrer Hochzeit, in ihn verliebt gewesen! Das war ganz deutlich. Aber was konnte sie so verändert haben?
    Er musste nicht lange blättern, um den Grund dafür herauszufinden. Der erklärende Eintrag stammte vom Vorabend ihrer Hochzeit. Sie beschrieb darin, dass Sofia sie über die Mätresse ihres zukünftigen Mannes aufgeklärt und Nicoletta als seine große und einzige Liebe dargestellt hatte. Zum ersten Mal begriff er, worauf die Zurückhaltung seiner Frau begründet war: Auf Eifersucht und dem Bewusstsein, weitaus weniger klug und reizvoll zu sein als seine Mätresse. Er schnaubte wütend. Damals schon hatte Sofia also versucht, seine Ehe zu stören und einen Keil zwischen ihn und Laura zu treiben. Es hatte ihr aber nur gelingen können, musste er vor sich selbst zugeben, weil er zu dumm und zu lieblos gewesen war, das Wesen seiner Frau zu ergründen und sich um sie zu bemühen. Hastig las er weiter. Die Tagebucheintragungen näherten sich dem ersten Treffen mit ihm. Oder besser: mit ihrem ‚Cavaliere’. Sie beschrieb auch tatsächlich das Treffen, die Rose, die er ihr übergeben hatte und dann stand ein Satz, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    „… und heute, am Maskenball, werde ich ihn endlich sehen: Meinen geheimnisvollen Cavaliere d’Amore, der mich in seinem Brief hat wissen lassen, dass er dort sein und mich im Salon der Diana treffen wird. Ich muss wohl nicht lange darüber grübeln, wer mein geheimnisvoller und romantischer Verehrer ist. Kein anderer natürlich als Ottavio, der mir schon so lange den Hof macht!“
    Nein, das war doch nicht möglich! Sollte sie anfangs tatsächlich geglaubt haben, sich mit Ottavio zu treffen? Verwirrt strich er sich über die Stirn.
    „Werde ich überhaupt hingehen? Werde ich den Mut besitzen? So wenig mein Mann mich auch liebt und anziehend findet, so ängstlich bin ich doch, einen Schritt zu tun, der – obwohl so üblich – mir nur Schande bringen wird.“
    Und doch hatte sie es getan … Domenico zog die Augenbrauen zusammen und las ungeduldig weiter, versessen darauf zu erfahren, was in ihr vorgegangen war und was sie wohl an diesem Tag, nach dem ersten Treffen, eingetragen hatte. Hier war es. Er holte tief Luft und bemerkte dabei, dass die Hand, mit der er das Buch hielt, zitterte.
    „… heute ist mir etwas widerfahren, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es möglich sei“, schrieb sie. Die Schrift war fahrig, so, als hätte sie in großer Eile geschrieben, wie etwas, das man unbedingt festhalten will,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher