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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück
Autoren: E Kabatek
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war, aber vom Nachbarshund aus seinem Grab gebuddelt wurde, worauf die Besitzer des Hundes glaubten, ihr Hund hätte das Kaninchen gerissen, und weil sie es sich nicht mit den Nachbarn verderben wollten, wuschen und föhnten sie das tote Kaninchen und setzten es heimlich zurück in den Käfig. Die Nachbarn wiederum erzählten ihnen am nächsten Tag die unglaubliche Geschichte des verstorbenen, begrabenen und plötzlich wieder im Käfig sitzenden Kaninchens. Mir war nicht ganz klar, wie das Kaninchen mit meinem seamless Push-up-BH und dem passenden Höschen zusammenhing, aber da ich langsam wirklich befürchtete, verrückt zu werden, beschloss ich, keine weitere Sekunde mehr an die Unterwäsche zu verschwenden. Sollte sie ihr Geheimnis mit ins Grab nehmen.
    Mittlerweile war es Mai geworden. Eigentlich war das die schönste Jahreszeit in Stuttgart. Überall blühten die Kastanien und reckten fröhlich ihre weißen und himbeerroten Kerzen in den Himmel. Aber dieses Jahr sah ich nicht hin, weil Kastanien offensichtlich nur in Verbindung mit eng umschlungenen Liebespärchen existierten, und die konnten mir gestohlen bleiben.
    Nun saß ich also bei Dorles Achtzigstem und langweilte mich entsetzlich. Ich hatte nicht mal einen Nachbarn auf meiner rechten Seite, mit dem ich mich hätte unterhalten können. »Do kommd no ebbär!«, hatte mir Dorle ungerührt verkündet.
    Plötzlich ging die Tür zum Saal auf. Im Türrahmen stand ein Mann, der nicht zur Familie gehörte, sehr attraktiv mit dem leicht lockigen Haar und dem eleganten Anzug, in der Hand einen riesigen, extravaganten Strauß langstieliger roter Rosen, wie man sie bei uns auf dem Dorf nicht verschenkte. Schon gar nicht an eine Achtzigjährige. Achtzigjährigen schenkte man kleine Büchlein mit Sinnsprüchen vor Sonnenuntergängen oder Friedhofsschalen. Ich blinzelte. Der Mann im Anzug war mir nicht unbekannt. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder. Die Erscheinung war immer noch da, die Rosen immer noch rot. Es war Leon.
WasumHimmelsWillenmachtederKerlhier?? Undwarumsahersoverdammtgutaus?
    Der Kirchenchor hatte die letzte Strophe gesungen, aber nichts geschah. Alle blickten Leon erwartungsvoll an. Der stand noch immer wie angewurzelt in der Tür. Da erblickte ihn Dorle und sprang auf.
    »Desch abr schee, dass du kommsch!«, rief sie aus. Du? Sie duzte ihn? Sie lief mit ausgestreckten Armen auf ihn zu.
    »Dorle, du siehst einfach fantastisch aus!«, rief Leon. Er küsste sie links und rechts auf die Wange und legte ihr feierlich den riesigen Strauß auf den Arm. Dande Dorle strahlte. Der Kirchenchor stand noch immer da wie festgefroren. Alle schienen festgefroren zu sein. Bis auf Dorle, die Leon am Ellenbogen fasste und energisch in meine Richtung bugsierte. Hilfe! Leider war es zu spät, um unter das lange Tischtuch zu krabbeln. Leon stand vor mir und zögerte eine halbe Sekunde. Dann beugte er sich vor und küsste mich mitten auf den Mund, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, ließ sich neben mich auf den Stuhl fallen und sagte laut in die Stille hinein: »So, ich hoffe, es gibt noch etwas von diesem fabelhaften Käsekuchen!«
    Ich starrte ihn an. »Was zum Teufel soll das?«, zischte ich.
    »Line, hosch du jetz endlich au an Freind?«, rief Frau Bäuerle vom Nachbartisch herüber.
    »Nein, das ist nicht mein Freund!«, schrie ich laut. Meine Nerven waren am Ende. Leon tätschelte mir beruhigend das Knie und winkte Frau Bäuerle freundlich zu, als wollte er sagen: »Haben Sie etwas Nachsicht mit ihr, sie neigt zur Hysterie.«
    Ich knüllte die Serviette zusammen, warf sie auf den Kuchen-teller und rannte hinaus.
    Ich saß auf dem Klo und heulte. Was wollte der Kerl hier? Warum platzte er in Dorles Geburtstagsfeier und war offensichtlich auch noch eingeladen? Und warum regte ich mich so auf?
    Die Tür zum Klo öffnete sich. »Line?« Mein Gott, jetzt verfolgte mich der Kerl sogar bis aufs Klo! Ich wollte heulen und mich selber bedauern, und selbst das versaute er mir!
    »Line, bitte mach die Tür auf. Es tut mir leid. Dorle – ich – wir hielten es für eine gute Idee. Ich dachte, du würdest dich freuen.« Ich antwortete nicht, schniefte aber so laut, dass er mich hören konnte. »Line, bitte komm raus und lass uns in Ruhe reden.« Ich gab ein leises Schluchzen von mir und nahm mir vor, demnächst an Schwindsucht zu sterben. Sollten er und Dorle an meinem Grab stehen und sich die Augen ausweinen. Der Kirchenchor würde singen. Ob wohl
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