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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird
Autoren: April Henry
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Stimme wurde nämlich zu laut, wie so oft bei Sehenden, wenn sie mit ihr redeten.
    »Kannst du meine Hände losbinden?« Sie hatte die Schultern nach vorne gebeugt und ließ ihre Stimme klein und schwach klingen. Sie wollte, dass er sie genau so sah.
    Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie klein und schwach sie tatsächlich war.
    »Nein«, sagte er in einem Tonfall, der deutlich machte, dass sie nicht weiter zu diskutieren brauchten. »Setz dich einfach aufs Bett.«
    Cheyenne bewegte sich langsam nach hinten, bis sie die Matratze in ihren Kniekehlen spürte. Sie setzte sich. Dann hörte sie, dass er aus dem Zimmer rannte, aber bevor sie irgendwie reagieren konnte, war er zurück. Er berührte ihren Fußknöchel. Bis dahin hatte sie nicht gemerkt, dass Griffin neben ihr in die Hocke gegangen war. Sie schrie kurz auf und schämte sich sofort dafür.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich muss dich bloß am Bett festbinden, damit du nicht abhaust.« Sie spürte, wie sich eng um einen ihrer Knöchel eine glatte Schnur legte. »Ich lass genug durchhängen, damit du dich hinlegen kannst.« Seine Hände banden den Knoten fertig, und dann zog er daran. »Passt. Du wirst jetzt eine Weile hier drinnen bleiben müssen. Falls du abhauen wolltest, schlag es dir am besten gleich aus dem Kopf. Wir sind meilenweit von allem weg. Und selbst wenn du es bis in den Hof schaffst, würde Duke dich mit einem Happs zum Abendessen fressen.«
    Duke, dachte Cheyenne. Griffin und Duke und Roy. Und sie machen hier am Ende der Welt was mit elektrischen Sägen. So einen Ort gibt es bestimmt nur einmal.
    »Bitte, Mister«, sagte sie, »dürfte ich ein Glas Wasser haben?«
    So. Vielleicht würde Griffin ja denken, dass sie nicht wusste, wie er hieß, wenn sie ihn >Mister< nannte. Cheyenne hustete absichtlich ein bisschen, was sich aber bald zu einem echten Husten entwickelte. Sie hustete und hustete, bis ihre Lunge schmerzte. Sie hörte, wie Griffin wieder ging, dann laufendes Wasser und seine zurückeilenden Schritte.
    »Hier.« Er legte seine Hand auf ihren Hinterkopf und neigte das Glas zur ihren Lippen. Das meiste schwappte auf ihren Mantel, etwas lief an ihrem Hals lang. Cheyenne schluckte, würgte und spuckte. Ein bisschen was schaffte es ihre Kehle hinunter, die ziemlich brannte. Ungeschickt tupfte er ihr mit dem Schal das Gesicht ab.
    »Du solltest dich hinlegen«, sagte er schließlich. Sie hörte, wie er das Glas abstellte. »Ich komm später wieder.«
    Er schloss die Tür. Sie lauschte seinen Schritten nach, die sich im Flur verloren. Die Haustür wurde geöffnet und geschlossen. Sowie sie das hörte, rollte sie sich vom Bett und begann zu suchen. Mit dem angebundenen Bein konnte sie sich nicht weit vom Bett entfernen. Aber Cheyenne gebrauchte ihren freien Fuß. Sie drehte sich herum und flatterte mit ihren Fingern, die immer noch auf ihrem Rücken zusammengebunden waren, über alles, was sie erreichen konnte. Sie beugte sich so weit wie möglich nach vorne und steckte buchstäblich ihre Nase in die Sachen auf dem Schreibtisch. Zumindest glaubte sie, dass es einer war.
    Sie wusste nicht, wonach sie suchte, und sie wusste auch nicht, was es ihr bringen würde, falls sie etwas fand. Aber Cheyenne brauchte irgendetwas. Etwas, das den Unterschied machte. Sie wusste, dass sie nicht auf ein Taschenmesser, ein Telefon oder eine Schere hoffen konnte. Aber selbst ein Stift wäre nicht schlecht. Einen Stift könnte sie verstecken und später jemanden damit niederstechen.
    Das Zimmer war überraschend aufgeräumt und leer. Obwohl sie nicht wie Leute wirkten, die ein Gästezimmer hatten, war das vielleicht doch eins.
    Das einzig Brauchbare fand Cheyenne auf dem Schreibtisch. Sie stieß mit der Nase dagegen und warf es dabei fast um. Das Glas! Sie angelte mit dem Kinn danach und zog das Glas an den Rand des Schreibtisches. Dann drehte sie sich um und fasste es mit den Fingern ihrer gefesselten Hände.
    So brachte ihr das Glas nichts. Aber wenn sie es zerbrach? Sie klemmte den Rand zwischen Daumen und Finger ihrer rechten Hand. Ohne noch einmal groß darüber nachzudenken, drehte sie ihre Hand kurz und hart herum, bis das Glas gegen die Schreibtischkante krachte.

 
Das könnte die Lage ändern
    Als Griffin zur Scheune zurückging, dachte er daran, dass er noch nie ein Mädchen in seinem Zimmer gehabt hatte, geschweige denn in seinem Bett.
    Und es war ziemlich merkwürdig, jemanden ungeniert anzuschauen und dabei genau zu wissen, dass das Gegenüber
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