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Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst!
Autoren: Tim Bowler
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stärker? Das ist die entscheidende Frage. Wenn der erste Teil die Oberhand gewinnt, habe ich eine Chance, ihn auszuschalten.
    Wenn der andere Teil stärker ist, wird er mich keinen Augenblick aus den Augen lassen.
    Er strafft sich. Er hat sich entschieden.
    Bleib schlaff, aber behalte einen klaren Kopf und sei bereit. Er bewegt sich behutsam. Sein linker Arm hält meine Beine, der andere umfasst meinen Körper. Das Messer ist in seiner rechten Hand und berührt meinen Arm.
    Bleib ruhig. Warte.
    Er beugt sich ganz langsam runter. Er beobachtet mich scharf. Ich spüre seinen stechenden Blick, obwohl meine Augen halb geschlossen sind. Der Fußboden kommt näher. Er berührt meine Füße, dann die Beine, den Hintern, den Rücken und den Kopf.
    Der Kerl lässt mich los. Ich plumpse hin, rolle die Arme zur Seite und lasse den Kopf hängen. Er steht über mir und blickt auf mich runter. Das spüre ich. Er hat große Lust, mich zu töten. Auch das spüre ich. Er will mich nicht am Leben lassen und zurückbringen. Töten macht ihm Spaß. Das weiß ich.
    Er hat mich aufgespürt und geschnappt. Das ist sein erster Triumph. Den zweiten kann er feiern, wenn er mich abliefert. Aber das will er nicht. Das macht viel Mühe und wenig Spaß. Er will Triumph Nummer drei.
    Er will mich töten.
    Aber das darf er nicht. Er hat den Auftrag, mich lebendig abzuliefern. Deshalb blickt er jetzt auf mich runter und hasst mich dafür. Er hat sich im Griff, aber innerlich kocht er. Er bewegt sich leicht. Er hebt sein rechtes Bein über mich, macht einen Schritt zum Regal und greift nach irgendwas.
    Ich höre, dass er sich umzieht. Der Müllsack raschelt. Sein rechtes Bein bewegt sich dorthin zurück, wo es war. Er steht jetzt wieder über mir und blickt runter. Ich brauche ihn nicht zu sehen, um das zu wissen. Ich kann alles spüren, was ich wissen muss, hier auf dem Fußboden, mit geschlossenen Augen.
    Ich spüre, dass er mich beobachtet, dass er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagert, dass er mich abcheckt, um sich zu vergewissern, dass er von mir nichts zu befürchten hat. Der Müllsack raschelt wieder. Er beugt sich runter, kommt mir immer näher. Er hält inne, überlegt, wie er es machen soll. Soll er mich hochheben und in den Sack fallen lassen oder soll er sich tiefer bücken und mich reinwickeln?
    Warte, horche, mach dich bereit.
    Er bewegt sich wieder, beugt sich tief zu mir runter. Er wird mich zuerst hochheben. Es raschelt wieder, als er den Müllsack loslässt. Er schiebt seine linke Hand wieder unter meine Beine. In der rechten hält er immer noch das Messer. Ich spüre die Klinge, während seine Hand über meinen Arm streift.
    Er hebt mich wieder hoch, immer näher an seinen Kopf.
    Da drehe ich mich blitzschnell um und stoße mit der rechten Hand nach seinem Gesicht.
    Darauf ist er nicht vorbereitet. Er fängt meinen Arm nicht ab. Ich habe ihn überrumpelt. Seine Augen sind weit aufgerissen. Das ist gut. Denn sie sind mein Ziel.
    Ich steche mit den einzigen Waffen zu, die ich habe.
    Mit meinen Fingern.
    Ich stoße einen in jedes Auge.
    Mit Wucht.
    Er stößt einen Schrei aus, wirft den Kopf nach hinten, klatscht mir die linke Hand aufs Gesicht. Aber ich bin bereits an seinem rechten Handgelenk. Mit meiner einen Hand packe ich seinen kleinen Finger, mit der anderen seinen Daumen.
    Knack!
    Knack!
    Er brüllt, will mich abwehren, aber ich bin zu gut darin. Ich habe ihm das Messer weggenommen und ihn am Genick gepackt. Die Klinge fährt über seine Kehle.
    Aber dann stoppt sie.
    Wieder bin ich wie gelähmt. Aber ich lasse nicht von ihm ab. Mit der einen Hand halte ich ihn an den Haaren fest, mit der anderen drücke ich ihm das Messer an die Kehle. Ein roter Tropfen rinnt ihm den Hals runter.
    Es sollte inzwischen ein Bach sein.
    Der Kerl sollte auf dem Boden liegen, mit großen Augen, die trüber werden, während sein elendes Leben aus ihm rausblubbert und über seine Brust quillt. Aber er steht immer noch. Er stöhnt, weil ich ihm den kleinen Finger und den Daumen gebrochen habe, und wartet zitternd und schwitzend auf den tödlichen Augenblick. Er denkt, dass ich mir Zeit lasse, dass ich ihn leiden sehen will, bevor ich ihn erledige.
    Er weiß, was ich kann. Doch er weiß nicht, dass ich nicht mehr dazu fähig bin.
    Noch nicht.
    Wenn ihm das klar wird, bin ich tot.
    Er wartet immer
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