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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst
Autoren: Linda Howard
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falls es welchen gab. Evelyn war die schwatzhafte Hälfte des Mann-und-Frau-Teams, dem der Eisenwarenladen gehörte. Ihr Sohn, Patrick, war damals das einzige andere Kind in ihrem Alter gewesen, das es in der kleinen Gemeinde gegeben hatte, und während ihrer gesamten Schulzeit hatten die Frenches und ihr Dad sich abgewechselt, um sie beide in die nächste richtige Stadt zur Schule zu fahren, vierzig Meilen entfernt. Patrick war jetzt ein Cop in Spokane, verheiratet, mit zwei eigenen Teppichratten. Evelyn war völlig verrückt nach ihren Enkelkindern, zwei kleinen Jungen im Alter von vier und zwei Jahren, und sie hatte immer Zeit, die neuesten Geschichten darüber zu erzählen, was sie gesagt und getan hatten. Sie schien ihre Streiche zu genießen, als dächte sie, dass Patrick alles verdiente, was sie da so taten. Bei der Erinnerung an einige der Dinge, die Patrick angestellt hatte, als sie klein waren, musste ihr Angie recht geben.
    Sie schloss die Tür, die sie eben geöffnet hatte, stapfte über den Parkplatz, ging vorsichtig um ein tiefes Schlagloch herum – und als sie den Kopf hob, sah sie
ihn,
den großen Mann, den Teufel, Dare Callahan selbst, direkt auf sie zugehen. Er kam vom Parkplatz auf der anderen Seite des Ladens, wo sein großer schwarzer Truck wie ein glänzendes, finsteres Metallmonster aufragte.
    Ihn zu sehen war zu viel. Angies Herz tat einen plötzlichen, harten Schlag, und ihr wurde flau im Magen. Sie reagierte vollkommen automatisch, dachte gar nicht erst nach, redete sich nicht gut zu, überlegte nicht, wie es aussah; sie machte einfach kehrt und ging zu ihrem eigenen Truck zurück, wobei sie leise vor sich hin murmelte. Sie würde die Nägel und Krampen später holen, wenn sie von der Führung zurückkam; bis dahin würde sie ohnehin keine Zeit haben, an den Zäunen zu arbeiten. Weglaufen war zwar feige, aber sie konnte ihm auch nicht zunicken und höflich sein, konnte nicht so tun, als hätte sie nicht gerade seinetwegen ihre Welt auf den Kopf gestellt. Verdammt, das passte, dass sie ihm vor dem Eisenwarenladen über den Weg lief, nachdem sie gerade ihren Besitz zum Verkauf ausgeschrieben hatte, wozu
er
sie doch gezwungen hatte. Manchmal waren Zufälle wirklich ätzend.
    »He!«
    Das tiefe, wütende Bellen grollte durch den Raum zwischen ihnen. Angie sah nicht zurück. Sie dachte auch gar nicht, dass er mit ihr sprach – schließlich hatte sie über zwei Jahre lang alles getan, um ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen und kaum ein Hallo zu grunzen, wenn sie gezwungen war, ihn zu grüßen. Darum schaute sie sich doch um, um zu sehen, mit wem er redete, denn ihr war sonst niemand in der Nähe aufgefallen.
    Schlagartig wurde ihr bewusst, dass tatsächlich niemand sonst da war. Er sprach mit ihr.

2
    Der feine Kies auf dem Asphalt knirschte unter seinen Stiefeln, als er mit großen Schritten auf sie zukam. Wie sein Truck war auch sein Hut schwarz, und er trug ihn so tief heruntergezogen, dass die Krempe den größten Teil seines Gesichtes verschattete. Schwarzer Hut gleich Bösewicht, oder? Damit war sie einverstanden, denn soweit es sie betraf, war er definitiv der Bösewicht in ihrem Leben – der Bösewicht, der wie eine Dampflok auf sie zukam. Sie legte die Hand an den Türgriff, dann hielt sie inne und kämpfte gegen ihre eigenen Impulse an. Sie hatte keine Angst vor ihm. Sie fühlte sich in der Gegenwart von Männern nicht wohl, aber es war ihr eigenes fehlerhaftes Urteil, dem sie nicht traute. Außerdem, wie viel Feigheit konnte sie sich selbst erlauben, bevor sie jegliche Selbstachtung verlor?
    Offensichtlich hatte sie gerade ihren eigenen Schlusspunkt erreicht. In ihren Truck zu springen und wegzufahren war das Beste, was ihr einfiel, vor allem wenn sie Dare auf dem Weg vom Parkplatz runter plattmachte, aber, okay, sie würde ihm noch erlauben, zu sagen, was ihm unter den Nägeln brannte. Sie mochte die Schlacht verloren haben – Scheiße, vielleicht sogar den ganzen verdammten Krieg –, aber dieses eine Mal konnte sie sich ihm stellen, und danach würde sie nie wieder mit ihm reden müssen, nicht einmal aus Höflichkeit. Sie nahm die Schultern zurück, hob das Kinn, ließ den Türgriff los und trat von dem Truck zurück. Innerlich zitterte sie wie Wackelpudding, aber äußerlich war ihr nichts anzusehen, ihre ganze Haltung war die einer Revolverheldin, die sich mitten auf der Straße einem Gegner stellte.
    Er schob sich vor sie und blieb erst stehen, als er ihr so
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