Lauf, so schnell du kannst

das Gegenstück an ihrer Hand ansah. Sie waren verheiratet. Vor sechs Monaten hatte sie noch nicht einmal auf ein Date mit ihm gehen oder ihn auch nur anschauen wollen, ohne dass Feuer aus ihren dunklen Augen sprühte, und jetzt waren sie hier: verheiratet.
    Von nun an würde sie den
gesamten
Papierkram erledigen. Und das war nicht einmal annähernd das Beste, was er von diesem Deal hatte.
    Da gab es Musik, Essen und Tanz. Dare war kein großer Tänzer, aber einen langsamen Tanz mit seiner frischgebackenen Ehefrau bekam er durchaus hin. Ein Nachbar würde sich um ihre Pferde kümmern, während er mit ihr eine Karibik-Kreuzfahrt unternahm, auf der er nichts anderes vorhatte, als zu essen und das eine oder andere alkoholische Getränk zu sich zu nehmen, herumzuliegen und Sex zu haben. Er hatte immer noch einige Fantasien, die noch nicht erfüllt worden waren. Dafür waren Flitterwochen doch schließlich da, oder?
    Als es Zeit wurde, den Kuchen anzuschneiden, fragte er sich, ob bei Angie nun ungute Erinnerungen hochkämen. Das würde er ihr verdammt noch mal nicht raten. An ihrem Hochzeitstag sollte sie an keinen anderen Mann denken als an ihn.
    Und das schien sie auch nicht zu tun; ihr Gesicht glühte, und ihre Augen glänzten, als sie an dem Tisch standen, wo der gigantische Kuchen stand – vier Etagen hoch, mit Sahne, weißen Rosen an den Rändern und einem traditionellen Brautpaar obenauf. Dare schaute zu ihr hinab, und sie blickte zu ihm empor, ihr Gesicht entspannt und strahlend zugleich. Ihre Miene war nicht finster, ihr war kein Zögern oder Zweifel oder auch nur der Hauch einer fernen Erinnerung anzusehen. Diese andere Hochzeit existierte nicht für sie, jetzt nicht mehr.
    Alle Gäste hatten sich ringsum versammelt, um zuzusehen. Und für den Bruchteil einer Sekunde fragte er sich, ob wohl einer von ihnen bei Angies anderer Hochzeit gewesen und Zeuge ihrer Beschämung geworden war. Ja, klar, ihre Freunde aus Billings waren dabei gewesen, aber auch sie schienen nicht daran zu denken.
    Dies war die einzige Hochzeit, die zählte.
    Sie hatte ihn nicht darum gebeten, ihr keinen Kuchen ins Gesicht zu schmieren, aber das war auch nicht notwendig gewesen. Er wusste, was sie wollte. Wichtiger noch, er wusste, was sie nicht wollte. Obwohl sie ihre Zeit nicht damit verschwendet hatte, jemanden zu engagieren, der ihr die Haare machte und sie schminkte – ein Glück, denn sie sah verdammt gut aus, so wie sie war –, wusste er es besser.
    Er war kein kompletter Idiot.
    Sie schnitten den Kuchen gemeinsam an, seine Hand über ihrer. Dann tauchte er den Finger in die Verzierung aus Zuckerguss und hob ihn ihr an die Lippen, bot ihn ihr an. Sie lächelte mit leuchtendem Gesicht, während sie die Fingerspitze in den Mund nahm und schnell den Zuckerguss ableckte, wobei ihre Zunge um seine Fingerspitze tanzte und ihre Lippen leicht saugten.
    Ihm wären fast die Augen nach hinten gerollt. Fuck. Scheiße. Ja, sie konnte das immer noch mit ihm machen, ihm den Kopf platzen lassen vor Lust. Sein ganzer Körper zuckte vor Erwartung; er genoss diese Erwartung, aber er wollte sich das Zucken lieber für später aufheben, wenn sie allein waren.
    Dann brach sie ein ganz kleines Stück von dem Kuchen ab, den sie zusammen abgeschnitten hatten, und schob es ihm in den Mund. Alles war sehr sauber, sehr würdevoll. Dare gab ein raues, kehliges Geräusch von sich. Angie Callahan durfte ihn jederzeit füttern.
    Angie Callahan.
Verdammt, klang das gut!
    Er beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Du siehst zum Anbeißen aus. Später.«
    »Gleichfalls«, antwortete sie lächelnd, und verdammt, er konnte es nicht erwarten, endlich wieder allein mit ihr zu sein.

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Die Autorin

    Autorenfoto: © Brian Velenchenko
    Linda Howard gehört zu den erfolgreichsten Liebesromanautorinnen weltweit. Sie hat über 25 Romane geschrieben, die sich millionenfach verkauft haben. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Sie wohnt mit ihrem Mann und fünf Kindern in Alabama.

Die Romane von Linda Howard bei
LYX
:
    1. Lauf, so schnell du kannst
    Weitere Romane von Linda Howard sind bei
LYX
in Vorbereitung.

Die Originalausgabe des Romans erschien 2011 unter dem Titel
Prey
    bei Ballantine Books, an imprint of The Random House Publishing Group,
    a divison of Random House, Inc., New York.
    Deutschsprachige Erstausgabe Oktober 2013 bei LYX
    verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften