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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst
Autoren: Linda Howard
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schuldenfrei, und sie würde trotz des Rückgangs ihres Einkommens ganz gut zurechtkommen. Aber er hatte es nun einmal getan, und sie kam nicht zurecht. Sie hatte die Quads und die meisten Pferde verkauft und mit dem Geld das Hauptdarlehen abbezahlt, aber selbst wenn sie sich neu finanzierte, würden die Raten höher sein, als sie verkraften konnte, immer vorausgesetzt, dass die Bank bei der derzeitigen restriktiven Kreditvergabe einer Neufinanzierung überhaupt zustimmte.
    Zumindest hatte sie nicht gewartet, bis sie in echte Schwierigkeiten geriet. Nein, mit dieser großen Portion Realismus hatte sie die Lage schnell durchschaut und erkannt, dass sie in spätestens einem Jahr pleite sein würde, wenn sie nichts dagegen unternahm. Aber ein Jahr war noch optimistisch gerechnet; die sechs Monate, die Harlan erwähnt hatte, um ihr Haus und Grundstück zu verkaufen, kamen der Sache schon näher. Bis dahin würde sie vielleicht noch nicht einmal aus den roten Zahlen sein, und sie wollte auf keinen Fall ihre Ersparnisse angreifen. Zum einen hatte sie nicht viele; zum anderen war es eine gute Möglichkeit, ausnahmslos alles zu verlieren, wenn man schlechtem Geld auch noch gutes hinterherwarf.
    Harlan hievte seinen massigen Körper aus dem quietschenden Bürostuhl und ging mit ihr zur Tür. »Ich werde morgen rausfahren, um ein paar Fotos zu machen«, sagte er.
    »Dann bin ich da. Ich habe übermorgen eine Tour und muss noch alles vorbereiten.« Zurzeit war diese geführte Jagd mit einem Stammkunden das Einzige, was in ihren Büchern an Aufträgen stand. Vor drei Jahren, bevor Dare Callahan zurückgekehrt war und begonnen hatte, große Löcher in ihre Geschäftsbücher zu reißen, hatte sie wochenlang zwischen den Touren gerade mal Zeit gehabt, ihre Vorräte wieder aufzufüllen. Selbst vor zwei Jahren noch, als er ihr Konkurrent geworden war, war sie einigermaßen zurechtgekommen und sogar dankbar gewesen, zwischen den Touren etwas Zeit zum Ausruhen zu haben. Letztes Jahr war schon wenig los gewesen. Und dieses Jahr war geradezu katastrophal geworden.
    Harlan tätschelte ihr den Arm, als er ihr die Tür aufhielt. »Ich lasse dich nur ungern gehen, aber du weißt es sicher selbst am besten.«
    »Das hoffe ich. Ich habe ein bisschen recherchiert, und ich denke, ich habe einen guten Ort gefunden, oben hinter Missoula.« Sie würde ihr Herz jedoch nicht an einen bestimmten Ort hängen, sondern sich Gebiete suchen, in denen Jagdführer dünn gesät waren, und dann von dort ausgehen. Ein Umzug würde schließlich nicht viel nützen, wenn sie sich nur wieder in eine Situation mit einem beinharten Wettbewerb begab.
    Er warf einen Blick aus der Tür, auf die gebirgige Landschaft, die er schon tausend Mal gesehen hatte, und dabei schlich sich ein etwas trauriger Ausdruck auf sein Gesicht. »Ich … denke auch darüber nach fortzugehen.«
    »Was?« Dieses unerwartete Geständnis riss Angie aus den Gedanken über ihre eigenen Probleme; sie starrte ihn erschrocken an. Er war doch immer hier gewesen, in dieser Gegend, und hatte einen Fixpunkt in ihrem Leben ausgemacht, von der Zeit an, da sie und ihr Dad hierher gezogen waren.
Sie
war zweimal weggegangen, einmal aufs College und dann anschließend nach Billings, aber Harlan war immer hiergeblieben, so verlässlich wie der Sonnenaufgang im Osten. Sie konnte sich diesen Ort gar nicht ohne ihn vorstellen. »Warum?«
    In seinen Augen stand ein versonnener Ausdruck, als hätte er sich nach innen gewandt. »Je älter ich werde, desto näher bin ich den Menschen, die bereits gestorben sind, und umso schwerer wird die Beziehung zu den Leuten, die dableiben«, sagte er leise. »An manchen Tagen kann ich bloß noch an die Toten denken. Ich ertappe mich dabei, dass ich ständig mit Glory spreche.« Gloria war seine verstorbene Ehefrau; Angie hatte nie gehört, dass er sie anders als Glory nannte. »Und dein Dad … ich rede immer noch mit ihm, als würde er hier neben uns stehen. Und da sind noch andere, viel zu viele andere.«
    Er seufzte. »Ich habe keine unbegrenzte Anzahl an Jahren mehr, weißt du, und ich verbringe zu viel von meiner Zeit allein. Ich muss in die Nähe von Noah und den Enkelkindern ziehen, ein bisschen mehr Kontakt zu ihnen aufbauen, solange ich das noch kann.«
    »Du redest, als stündest du schon mit einem Fuß im Grab. Du bist doch nicht alt!« Sie war immer noch zu schockiert, um diplomatisch sein zu können, aber Diplomatie war noch nie ihre Stärke gewesen. Hinterher
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