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Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein

Titel: Lasst Kinder wieder Kinder sein - Winterhoff, M: Lasst Kinder wieder Kinder sein
Autoren: Michael Winterhoff
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genommen wird und sich bald beruhigt. Das tut es ja nicht, weil ihm der Erwachsene erklärt, es solle aufhören zu schreien, da es keinen Grund gäbe. Sondern es kommt seinerseits zur Ruhe, weil es die Ruhe des Erwachsenen spürt. Umgekehrt sorgt es bei unbeschwert spielenden, ausgeglichenen Kindern sofort für Stress und Unruhe, wenn beispielsweise ein Elternteil von der Arbeit kommt und den Bürostress mit nach Hause bringt. Auch hier bedarf es keiner Äußerungen und Handlungen, sondern die Gemütslage überträgt sich einfach auf die Kinder; je kleiner sie sind, desto ungefilterter wird diese Störung der kindlichen Ruhe aufgenommen.
    Wenn man sich die Terminpläne von Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter heute anschaut, unterscheiden die sich kaum noch von unseren eigenen. Das Kind selbst ahnt zunächst einmal kaum etwas von der Unruhe, die ein
voller Planer bedeutet. Es spürt aber die Unruhe, die durch die Terminhetze bei den Eltern entsteht. Diese jedoch können häufig gar nicht anders handeln, da sie im Rahmen einer symbiotischen Beziehungsstörung ganz selbstverständlich für ihr Kind handeln und denken und damit eben auch dessen Terminplan genauso vollpacken wie den eigenen.
    Eltern, die in der Intuition sind, gelingt es dagegen auch heute noch, sich zu ihrem spielenden Kind zu setzen und auf sein Spiel einzugehen, anstatt es zu irgendetwas anzutreiben, was man sich eigentlich gerade in den Kopf gesetzt hatte. Naturgemäß interessiert kleine Kinder das erwachsene Verlangen nach stringentem Zeitmanagement ja nicht; sie versenken sich trotzdem in ein Spiel, in das Betrachten eines Buches oder das Hören eines Hörspiels.
    Sie können sich gelegentlich selbst testen: Versuchen Sie, ein Vorhaben, das Sie sich fest vorgenommen hatten, für einen Moment auszublenden und sich stattdessen zum Kind zu gesellen. Beobachten Sie, was passiert, wie Sie sich fühlen. Kostet es Sie viel Überwindung, Ihre Planung umzustellen? Haben Sie das Gefühl, auf Hochtouren zu rotieren, und wollen eigentlich auch nicht runterfahren?
    Setzen Sie sich trotzdem zum Kind. Überlegen Sie ehrlich, ob Sie den Eindruck haben, wirklich zur Ruhe zu kommen, oder ob es sich eher so anfühlt, dass Sie sich dazu zwingen müssen. Die Idee hinter diesem Test ist schlicht die, unbewusste Vorgänge ansatzweise bewusst zu machen. Mit der Analyse in den folgenden Kapiteln wird klarer werden, warum es in zunehmendem Maße nicht mehr funktioniert, solche Situationen mit Kindern wirklich in Ruhe und Gelassenheit zu erleben und zu genießen.

Achtung:
Katastrophen überall!
    Auf meinem PC gibt es ein kleines Symbol. Wenn ich den Mauszeiger darauf ziehe, erscheint eine sogenannte Dialogbox (eigentlich eher eine Monolog box, da sie sich für meine Antwort nicht wirklich interessiert), die mich erinnert, wenn der Virenschutz des Rechners nicht aktuell ist. In dieser Box steht: »Sie müssen Ihren PC vor Katastrophen und Bedrohungen schützen.«
    Nun ist es sicher mit viel Ärger und Stress verbunden, wenn sich ein Virus auf meinen Computer schleicht und wichtige Dateien beschädigt sind. Aber ist es auch gleich eine Katastrophe?
    Wir sind mit dem Wort »Katastrophe« und seinen Anverwandten wie »Krise«, »Bedrohung«, »Schreckensszenario« heute schnell bei der Hand. Plakativ wird uns von den Titelseiten vieler Zeitungen und ihrer Online-Ableger oder in den TV- und Radio-Nachrichten mitgeteilt, aus welcher Richtung dieses Mal der Weltuntergang droht. Schweine-und Vogelgrippe haben gefühlt fast für das Ende der Menschheit gesorgt, und man fragt sich, wann andere Tiergruppen an der Reihe sind. Können Hunde, Kühe und Mäuse nicht auch Grippe bekommen? Zu solch temporären Bedrohungen kommen Dauerbrenner wie die Klimakatastrophe, die unser aller täglich Damoklesschwert zu sein scheinen.

    Als sich kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 der damalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Michael Ballack, so schwer verletzte, dass er auf das Turnier verzichten musste, war das beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern eine spontane Sondersendung wert, und selbst wer sich überhaupt nicht für Fußball interessierte, hatte kaum eine Chance, nicht mit Schreckensmeldungen über den bevorstehenden Untergang der deutschen Kicker belästigt zu werden.
    Nicht zu Unrecht schrieb eine genervte ARD-Seherin bei Twitter: »Früher gab es Brennpunkte nur bei wirklichen Katastrophen, jetzt immer häufiger.« Immer häufiger, und eben auch bei
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