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Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)

Titel: Lasst die Spiele beginnen: Roman (German Edition)
Autoren: Niccolò Ammaniti
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einer jener faden und dienstbereiten Leute, die ihn umkreisten, in der Hoffnung, sich wie eine Kakerlake von den Krümeln seiner Freundschaft zu ernähren. Dieser jedoch konnte, im Gegensatz zu anderen, einigermaßen analytisch denken und verfügte über eine gewisse funkelnde Kreativität. Irgendwann, in unbestimmter Zukunft, würde er ihm vielleicht zu einer Veröffentlichung bei Martinelli verhelfen. Doch vorerst betraute er diesen Freund aus Catanzaro mit kleinen Aufgaben, einem Artikel für eine wöchentlich erscheinende Frauenillustrierte etwa, einer Übersetzung aus dem Englischen, Recherchen in der Bibliothek und, wie in diesem Fall, dieses Monsterbuch für ihn zu lesen und ihm eine schöne kritische Zusammenfassung zu geben, die er sich dann, in einer Viertelstunde, aneignen würde.
    Möglichst unauffällig zog Ciba die drei Seiten aus dem Jackett, die sein Freund geschrieben hatte.
    Bei öffentlichen Auftritten las Fabrìzìo nie vom Blatt ab. Er improvisierte, ließ sich vom Moment inspirieren. Er war berühmt für dieses Talent, für das magische Gefühl der Spontaneität, das er seinen Zuhörern schenkte. Aus ihm sprudelte es nur so heraus, vierundzwanzig Stunden am Tag. Es gab keinen Filter, kein Depot. Und wenn er mit seinen Monologen loslegte, waren alle fasziniert: vom Fischer in Mazara del Vallo bis zum Skilehrer in Cortina d’Ampezzo.
    Doch an diesem Abend erwartete ihn eine böse Überraschung. Er las die ersten drei Zeilen der Zusammenfassung und wurde blass. Es ging um die Saga einer Musikerfamilie, in der alle aufgrund eines unerforschlichen Schicksals Sitar spielten, Generation um Generation.
    Er griff nach dem Buch des Inders. Der Titel lautete: Die Verschwörung der Jungfrauen. Und warum war dann in der Zusammenfassung von Ein Leben in der Welt die Rede?
    Ihm kam ein furchtbarer Verdacht. Sein Freund aus Catanzaro hatte sich vertan. Dieses Arschloch hatte das falsche Buch erwischt.
    Verzweifelt verschlang er den Text auf der Rückseite des Buchs. Es ging überhaupt nicht um Sitarspieler, sondern um eine Gruppe von Frauen auf den Andamanen.
    In diesem Augenblick beendete Tremagli seinen Monolog.

5 Es brachte ihn zur Verzweiflung, dass das Durendal, für das er dreihundertfünfzig Euro bezahlt hatte, bei seinem Schwiegervater über dem Kamin enden sollte. Gekauft hatte Saverio Moneta es mit dem Gedanken, damit den Friedhofswächter von Oriolo niederzumetzeln oder es jedenfalls als Opferwaffe für die Blutriten der Sekte zu benutzen.
    Die Autos kamen nur im Schritttempo voran. Auf einer Reihe Palmen, die im Winter erfroren waren, hingen bunte Lämpchen, deren Geblinke sich im Heck der Mercedesse und Jaguars vor den Autohäusern spiegelte.
    Es muss wirklich einen Unfall gegeben haben.
    Saverio schaltete das Radio ein und suchte den Verkehrskanal. Ein Teil seines Hirns arbeitete unablässig daran, sich eine Aktion auszudenken, die er Murder und den anderen vorschlagen könnte.
    Und wenn wir zum Beispiel Padre Tonino, den Pfarrer von Capranica, umbrächten?
    Das Handy läutete erneut. Nein, bitte nicht … Schon wieder Serena? Doch auf dem Display erschien: UNBEKANNTE NUMMER. Das war bestimmt der alte Sack, der die Nummer unterdrückte, um ihn hereinzulegen.
    Egisto Mastrodomenico, Serenas Vater, war siebenundsiebzig Jahre alt und kannte sich mit Handys und Computern besser aus als jeder Sechzehnjährige. In seinem Büro im letzten Stock des Mobilificio dei Mastri d’Ascia Tirolesi hatte er eine Batterie von Computern, die mit Kameras verbunden waren, um die ihn jedes Casino in Las Vegas beneidet hätte. Den ganzen Tag lang wurde die Leistung der fünfzehn Verkäufer aufgezeichnet, als wäre man in einer Realitysoap. Und Saverio, der Chef der Abteilung Tiroler Möbel, hatte vier Objektive auf sich gerichtet.
    Nein, ich kann nicht, heute Abend nicht. Er drehte das Autoradio lauter, in der Hoffnung, das Telefon zum Schweigen zu bringen.
    Mantos hasste seinen Schwiegervater so sehr, dass er eine spastische Kolitis bekommen hatte. Der alte Mastrodomenico nutzte jede Gelegenheit, ihn zu demütigen, damit er sich wie ein nichtsnutziger Schmarotzer fühlte, der nur deshalb immer noch im Möbelhaus arbeitete, weil er mit seiner Tochter verheiratet war. Er beleidigte ihn nicht nur vor Kollegen, sondern auch im Beisein von Kunden. Einmal, während der Frühjahrsaktion, hatte er ihn bei eingeschaltetem Mikrofon als Idioten beschimpft. Der einzige Trost war, dass der Alte früher oder später ins Gras
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