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Lass sie bluten

Lass sie bluten

Titel: Lass sie bluten
Autoren: Jens Lapidus
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aufgrund einer fiktiven Schlägerei vor einer Würstchenbude bei der Polizei entlassen wurde. Die Gründe für die Kündigung waren nur vorgetäuscht. Er erklärte, wie Torsfjäll ihm eine Anstellung in der Salbergaanstalt verschafft hatte. Wie er alles dafür getan hatte, das System dort zu unterwandern und JW ’s Freund zu werden. Wie er ihn sogar zur Elchjagd bei Carl mitgenommen hatte.
    Lottie hörte zu.
    Sie verzog keine Miene.
    Als er fertig war, sagte er: »Du glaubst mir vielleicht nicht, Mama. Aber ich möchte, dass du Kontakt zu einem Mann aufnimmst, der Mrado Slovovic heißt, und ihm eine einzige Frage stellst: Nach wem habe ich ihn gefragt, als er mit der Polizei zusammengearbeitet hat?«
    Lottie nickte.
    Sie sagte eine Weile lang nichts. Dann fragte sie: »Und Pravat?«
    Es war, als wäre alles, was er ihr gerade erzählt hätte, belanglos geworden, und das Einzige, was zählte, war sein Verhältnis zu Pravat. In gewisser Weise war er froh. Ihr war es offenbar egal, ob er Informant gewesen war oder nicht. Denn ihr war seine Welt sowieso fremd. Allein schon seine Entscheidung vor mehr als fünfzehn Jahren, Polizist zu werden, konnte sie nicht verstehen.
    Hägerström antwortete: »Wenn ich entlassen werde, kaufe ich eine Villa auf Lidingö. In der Gegend, wo Anna wohnt. Das ist alles, was ich jetzt weiß.«
    »Und weiter?«
    Hägerström fragte sich, was sie damit meinte. Aber es gab noch etwas, das er ihr heute sagen wollte. Es wurde höchste Zeit. Er hatte es sich selbst geschworen. Alles würde aufs Tableau kommen.
    »Da ist noch eine Sache, die ich dir sagen möchte, Mama.«
    Sie fingerte an ihrem Schal herum. Richtete den Blick zu Boden.
    Hägerström musste an die J. A. G.-Acke-Bilder denken, die bei ihr zu Hause hingen. Die drei jungen nackten Männer auf einem Felsen im Meer.
    »Ich bin homosexuell.«
    Lottie schaute auf.
    »Martin.«
    Pause.
    »Ich weiß es bereits seit zwanzig Jahren.«
    ***
    Die Polizei hatte während der Vernehmungen immer wieder versucht, etwas aus ihr herauszubekommen.
    »Was haben Sie im Hotel gemacht?«
    »Was haben Sie im Konferenzraum gemacht?«
    »Wer war außer Ihnen noch dort?«
    »Haben Sie gesehen, dass Stefanovic etwas zugestoßen ist?«
    Sie antwortete die ganze Zeit über ausweichend, unterstellte, dass jemand anders ihn ermordet hatte. Doch die Bullen waren nicht dumm – sie spürten intuitiv, dass sie log, aber sie konnten nicht wissen, im Hinblick auf welche Aussagen.
    Sie saß drei Monate in Untersuchungshaft. Schließlich waren sie gezwungen, sie gehen zu lassen.
    Sie hatte sich im Konferenzraum aufgehalten. Aber JW und drei ihr unbekannte Männer hatten ebenfalls dort gesessen. Sie konnten ihr nicht beweisen, dass ausgerechnet sie Stefanovic ermordet hatte – es gab keine DNA -Spuren oder Fingerabdrücke auf der Tatwaffe, sie hatte sie sorgfältig abgewischt. An ihrem Körper wurden auch keine anderen Spuren gefunden. Keiner von den Männern, die sich unten in der Lobby aufgehalten hatten, würde mit der Polizei sprechen – das war ein Ehrenkodex. Und vor allem: Die Russen waren verschwunden – sie kamen ebenfalls als Täter in Frage.
     
    Sie saß in der Bibliothek und wartete darauf, dass das Meeting anfangen würde.
    Sie dachte nicht mehr so oft an ihren Vater. Sie sah vor dem Einschlafen nicht mehr so oft Melissa Cherkasovas Gesicht vor ihrem inneren Auge.
    Sie hatte das einzig Mögliche getan. Denjenigen bestraft, dem Strafe gebührte.
    Stefanovic hatte erstaunt gewirkt, als sie dort im Konferenzraum das erste Mal auf ihn einstach. Dann wurde er von Panik erfasst.
    Der geschliffene Handgriff des Kamms drang extrem leicht ein. Sie benötigte nur noch einen weiteren Hieb, um auf der sicheren Seite zu sein. Sie wartete ein paar Minuten, nachdem er zu Boden gesunken war. Der Fußboden war bereits blutüberströmt.
    Keiner der draußen Anwesenden schien zu reagieren. Alle Männer saßen schließlich ein Stockwerk tiefer und warteten.
    Und dann, auf dem Parkplatz, war sie Semjon Averin Auge in Auge begegnet.
    Doch ihr Glück im Unglück: dass der Polizeieinsatz um sie herum geradezu explodierte.
    Natalie hatte nur deswegen drei Monate einsitzen müssen, weil das Hotel bis in den letzten Winkel hinein mit Polizisten besetzt war. Dennoch war sie ihnen dankbar – wenn sie nicht vor Ort gewesen wären, hätte sie ebenso geendet wie ihr Vater. Der Wolf Averin hätte ihr aus weniger als drei Metern Entfernung in den Kopf geschossen.
    Sie nahmen JW und
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