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Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland

Titel: Laß dich verwoehnen - Prostitution in Deutschland
Autoren: Tamara Domentat
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Kulturlebens statt. Dabei erlebt jeder die Brüche und Konflikte, die entstehen, wenn Sexualität einem immer komplexeren Wertesystem unterworfen ist. Sexuelle Selbstbestimmung, Privatsphäre, Autonomie, Beziehung, Familie, Freiheit, Status - für niemanden ist es heutzutage leicht, sexuelle Wünsche mit den Prioritäten der gewählten Lebensführung in Übereinstimmung zu bringen. Wie gehen wir mit den Widersprüchen um, vor die uns die Marktgesellschaft, unterschiedliche Diskurse über Sexualität und das eigene Gewissen stellen?
     
    Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Erhard /
    Geschäftsführer und verheirateter Prostitutionskunde Ungefähr einmal im Monat gönne ich mir eine
    Ganzkörpermassage in einem Thai-Bordell. Natürlich könnte ich auch in ein Nobelbordell gehen, das würde mich sicher nicht in den Ruin stürzen. Aber warum sollte ich? Die Frauen dort sind jung, hübsch anzusehen und können wirklich gut massieren. An den Wänden hängen auch Diplome - obwohl, man weiß ja nie, ob die gefälscht sind. Außerdem stimmt das Preis-LeistungsVerhältnis. Für eine Stunde zahle ich halb soviel wie in einem gehobenen Bordell. Einmal haben mich die Frauen nach der Massage zum Essen eingeladen. Im hinteren Teil der Ladenwohnung gibt es eine Küche, dort haben sie ein traditionelles Gericht aus Thailand gekocht. Sie waren vergnügt und lachten - ich kann mir nicht vorstellen, daß es ihnen psychisch schlecht geht.
     
    Klischee Nr. 69:
    Prostitutionskunden können nichts gegen ~
    Zwangsprostitution tun.
     
    Es ist vertrackt: Eigentlich suchen Kunden in der Prostitution beziehungslosen und verantwortungsfreien Sex. Aber indem sie Billigsex konsumieren und einen Preisverfall schüren, durch den Armutsprostitution und Schuldknechtschaft für die Profiteure erst lukrativ werden, übernehmen sie auch einen Teil der Verantwortung für die Mechanismen der Elendsprostitution. Wenige machen sich klar, daß sie auch als Sexkonsumenten Teil eines Wirtschaftskreislaufs sind, der zumindest im Bereich der Billigprostitution häufig durch Ausbeutungsstrukturen auffällt.
    Andererseits klagen sie über Fließbandabfertigung und mangelnde Einfühlung und fürchten manchmal zu Recht, daß die Frauen sich für die Schnäppchenpreise, zu denen sie ihre Dienstleistungen zu Markte tragen, mit einem Diebstahl rächen.
    Die Logik eines globalisierten Kapitalismus bringt es mit sich, daß Prostitutionskunden mit Frauen in einen sexuellen Austausch treten, die angesichts ihrer randständigen Ökonomien und Bildungssysteme oft nichts anderes anzubieten haben als ihre Körper. (Finanziell armen Männern geht es da nicht unbedingt anders. Weshalb ist der Anteil z.
    B. schwarzer Amerikaner unter Sportlern überdurchschnittlich hoch?
    Wieso rekrutieren sich so viele Breakdancer aus den Migranten-Ghettos und Vorstädten?) Ist ein solcher Austausch moralisch vertretbar, wenn dadurch Ausbeutungsstrukturen mitgetragen werden?
    Einerseits leisten die Kunden praktische Entwicklungshilfe, denn ein geringer Teil des Sexhonorars wird in die Heimatländer der Frauen überwiesen (wo er allerdings viel mehr wert ist als bei uns). Der Löwenanteil des Liebeslohns wandert jedoch auf die Konten eines Betreibers. Die Kunden leisten also einerseits einen Beitrag zum Überleben, andererseits einen Beitrag zur Ausbeutung. Wie kann man(n) diesem Dilemma entrinnen? Gibt es angesichts der Kompliziertheit dieser Situation überhaupt produktive Handlungsmuster? Kann der Kunde bei der Wahl der Dienstleistern oder des Bordells ansetzen, um den Sumpf der Ausbeutung von der Nachfrageseite aus trockenzulegen? Könnte er einen schlecht geführten Club nicht ebenso boykottieren wie andere globalisierte Unternehmen? Könnte er dubiose Hotels und Landgasthöfe, die klassischen Einsatzorte gehandelter Frauen, meiden und statt dessen korrekt geführte Bordelle oder einzeln arbeitende Frauen aufsuchen?
    In Großbritannien werben letztere oft mit dem Zusatz »independant escort«. Wer in Deutschland die Modellseiten einiger Tageszeitungen aufschlägt und die Nummern durchtelefoniert, kann nicht überblicken, ob »3 slawische Topmodelle« oder das »polnische Strapsteam«
    tatsächlich unabhängig oder für einen Vermittler arbeiten, der den Löwenanteil ihres Verdienstes einsackt. »Das Problem ist, daß die internen Strukturen für die meisten Freier nicht offensichtlich sind«, so Christiane Howe von Agisra. »Wenn es möglich wäre, arbeitsrechtliche Mindeststandards zu
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