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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne
Autoren: Christopher Moore
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daß er seit
weniger als einer Woche in der Stadt war und noch niemanden kannte. Wer schenkte
ihm also die Blumen?
    Die fünf Wongs schossen eine Salve
von Bye-byes ab und verließen den Raum. Wong Fünf zog die Tür hinter sich zu.
    Ich mußt mit Wong Eins über die
Unterbringung reden, dachte Tommy.
    Wong Eins gehörte nicht zu den
fünf Wongs, mit denen Tommy sich das Zimmer teilte. Wong Eins war der
Vermieter: älter, klüger und gebildeter als die Wongs Zwei bis Sechs. Wong Eins
sprach Englisch, trug einen durchgewetzten Anzug, der seit dreißig Jahren aus
der Mode war, und zeigte sich fast nie ohne seinen Stock mit dem Drachenkopf
aus Messing. Tommy hatte ihn kurz nach Mitternacht an der Columbus Avenue
kennengelernt, neben dem brennenden Kadaver von Rosinante, Tommys 74er Volvo.
    »Ich habe sie umgebracht«, sagte
Tommy, während er zuschaute, wie schwarzer Rauch unter der Motorhaube
hervorquoll.
    »Wie schade“, erwiderte Wong Eins
mitfühlend, bevor er weiter seiner Wege ging.
    »Entschuldigen Sie bitte«, rief
Tommy Wong nach. Tommy war gerade aus Indiana angekommen und war noch nie in einer
Großstadt gewesen, also erkannte er nicht, daß Wong Eins bereits die
akzeptierte großstädtische Grenze bezüglich des Kontakts mit Fremden
überschritten hatte.
    Wong drehte sich um und stützte
sich auf seinen Drachenkopf-Stock.
    »Entschuldigen Sie bitte«,
wiederholte Tommy, »aber ich bin neu in der Stadt - wissen Sie zufällig, wo ich
hier eine Bleibe finden kann?“
    Wong zog eine Augenbraue hoch. »Du
hast Geld?« »Ein wenig.«
    Wong musterte Tommy, der mit einem
Koffer und einer Reiseschreibmaschine neben seinem brennenden Auto stand. Er
musterte Tommys offenes, hoffnungsvolles Lächeln, sein hageres Gesicht und den
dunklen Haarschopf, und das Wort »Opfer« erschien in fetten Lettern in seinem
Kopf - Teil einer Kurznachricht auf Seite 3 des Chronicle: »Opfer in Tenderloin
gefunden, totgeschlagen mit Schreibmaschine.« Wong stieß einen tiefen Seufzer
aus. Es bereitete ihm Freude, jeden Tag den Chronicle zu lesen, und er wollte
nicht die Seite 3 überspringen müssen, bis die Tragödie geschehen war.
    »Du kommen mit mir«, erklärte er.
    Wong ging die Columbus hinauf nach
Chinatown. Tommy hastete hinter ihm her ; von Zeit zu Zeit blickte er
über seine Schulter zu dem brennenden Volvo zurück. „Ich habe diesen Wagen
wirklich gemocht. Ich habe mit dem Wagen fünf Strafzettel wegen zu schnellen
Fahrens bekommen. Sie liegen immer noch drin.«
    »Zu dumm.« Wong blieb vor einer
verbeulten Metalltür zwischen einem Lebensmittelladen und einem Fischgeschäft
stehen. »Hast du fünfzig Mäuse?“
    Tommy nickte und grub tief in der
Tasche seiner Jeans.
    „Fünfzig Mäuse, eine Woche«, sagte
Wong. „Zweihundertfünfzig, ein Monat.«
    »Eine Woche reicht«, sagte Tommy
und pellte zwei zwanziger und einen Zehner von einem sichtlich dünner werdenden
Geldscheinbündel.
    Wong öffnete die Tür und stieg
eine schmale, unbeleuchtete Treppe hinauf. Tommy stolperte hinter ihm her, fiel
ein paarmal beinahe hin. „Ich heiße Thomas C. Flood. Nun, um genau zu sein ist
das der Name, unter dem ich schreibe. Die Leute nennen mich Tommy.«
    »Gut«, sagte Wong.
    »Und Sie sind?« Tommy blieb am
Kopf der Treppe stehen und bot seine Hand zum Schütteln an.
    Wong blickte auf Tommys Hand.
»Wong«, sagte er.
    Tommy verbeugte sich. Wong, der
ihm dabei zusah, fragte sich, was, zum Teufel, er da trieb. Aber fünfzig Mäuse
sind fünfzig Mäuse, dachte er bei sich.
    »Badezimmer Flur runter«, erklärte
Wong, während er eine Tür aufstieß und einen Lichtschalter anknipste. Fünf
schläfrige Chinesen blickten von ihren Etagenbetten auf. »Tommy«, sagte Wong
und zeigte auf Tommy.
    »Tommy«, wiederholten die Chinesen
im Chor.
    »Das hier Wong«, sagte Wong und
zeigte auf den Mann in dem Bett links unten.
    Tommy nickte. »Wong.«
    »Das hier Wong. Das da Wong. Wong.
Wong. Wong«, fuhr Wong fort und hakte damit jeden der Männer ab, so als würde
er die Kugeln eines Abakus' hin und her schieben, was er im Geiste auch tat:
Fünfzig Mäuse, fünfzig Mäuse, fünfzig Mäuse. Er deutete auf das leere Bett
rechts unten. »Du schläfst hier. Bye-bye.«
    »Bye-bye«, erwiderten die fünf
Wongs.
    »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Wong
...«, rief Tommy ihm nach.
    Wong drehte sich um.
    »Wann ist die Miete fällig? Ich
mache mich morgen auf Jobsuche, aber ich habe nicht viel Bargeld.«
    »Dienstag und Sonntag«, erwiderte
Wong. »Fünfzig
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