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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne
Autoren: Christopher Moore
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wirklich weh, aber Jody hinkte
trotzdem, von der rein psychologischen Verletzung. Mein Kleiderschrank sieht
bald aus wie eine Straußenzucht, ging es ihr durch den Sinn. Ich muß entweder
anfangen, Stopfeier wegzuwerfen, oder meine Beine bräunen, damit ich keine
Strumpfhosen mehr tragen muß.
    Sie war noch nie braun gewesen,
konnte es auch nicht wirklich werden. Sie war ein milchhäutiger, grünäugiger
Rotschopf, den die Sonne nur verbrannte und mit Sommersprossen übersäte.
    Als sie noch einen halben Block
von ihrer Bushaltestelle entfernt war, siegte der vom Wind getriebene Nebel,
und Jodys Haar verlor mit einem Schlag jeglichen natürlichen Haarspray-Halt.
Ordentliche taillenlange Wellen kräuselten sich augenblicklich zu einem
ungebändigten Cape aus Locken und Kletten. Na toll, dachte sie, wenn ich nach
Hause komme, sehe ich wieder mal aus wie ausgekotzt. Da wird sich Kurt aber
freuen!
    Sie zog wärmesuchend ihren Blazer
fester um ihre Schultern, klemmte sich ihren Aktenkoffer quer unter die Brüste,
wie ein Schulmädchen seine Lehrbücher, und humpelte weiter. Ein Stück weiter
vorn auf dem Bürgersteig sah sie jemanden neben der Glastür eines
Börsenmakler-Büros stehen. Grünes Licht von den Monitoren drinnen zeichnete
seine Silhouette in den Nebel. Jody überlegte, die Straßenseite zu wechseln, um
ihm auszuweichen, aber sie würde nach ein paar Metern wieder wechseln müssen,
um ihren Bus zu kriegen.
    Ich bin es leid, Überstunden zu
machen, dachte sie. Das ist es nicht wert. Kein Blickkontakt, lautete ihr Plan.
    Als sie an dem Mann vorbeiging,
blickte sie starr auf ihre Laufschuhe (die Pumps waren im Aktenkoffer). So
ist's richtig. Nur noch ein paar Schritte ...
    Eine Hand packte sie am Haar und
riß sie von den Füßen. Ihr Aktenkoffer segelte über den Bürgersteig, und sie
fing an zu schreien. Eine andere Hand preßte sich über ihren Mund, und sie
wurde von der Straße weg in eine Gasse geschleift. Sie trat und schlug um sich,
aber er war zu stark. Der Gestank von verdorbenem Fleisch stieg ihr in die
Nase. Würgend versuchte sie weiterzuschreien. Ihr Angreifer wirbelte sie herum,
riß an ihrem Haar, zog ihren Kopf nach hinten, bis sie glaubte, ihr würde das
Genick brechen. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz an der Seite ihres
Halses, und ihre Kraft schien zu verpuffen.
    Sie nahm auf der anderen Seite der
Gasse eine Limodose und ein altes Wall Street Journal wahr, ein
Kaugummi, das an der Mauer klebte, ein -Parken verboten«-Schild: Einzelheiten,
seltsam verlangsamt und bedeutungsschwanger. Ihr Blickfeld verdunkelte sich von
den Rändern her, so als würde sich eine Irisblende schließen, und ihr ging
durch den Sinn: Dies sind die letzten Dinge, die ich in meinem Leben sehe. Die
Stimme in ihrem Kopf war ruhig, gelassen.
    Als alles dunkel wurde, versetzte
ihr ihr Angreifer eine Ohrfeige. Jody schlug die Augen auf und sah ein hageres,
weißes Gesicht vor sich. Er sprach zu ihr. »Trink«, sagte er.
    Etwas Warmes und Nasses wurde in
ihren Mund gerammt. Sie schmeckte warmes Eisen und Salz und würgte wieder. Es
ist sein Arm. Er hat mir seinen Arm in den Mund gerammt und mir die Zähne
ausgeschlagen. Ich schmecke Blut.
    »Trink!«
    Eine Hand hielt ihr die Nase zu.
Jody wehrte sich, versuchte zu atmen, versuchte, seinen Arm aus ihrem Mund zu
ziehen, um wieder Luft zu kriegen, rang nach Atem und erstickte fast an Blut.
Doch dann saugte sie, trank gierig. Als er seinen Arm wegzog, hielt sie ihn
fest. Er riß ihn ihr aus dem Mund, drehte sie grob herum und biß ihr abermals
in den Hals. Kurz darauf spürte Jody, wie sie fiel. Der Angreifer zerrte an
ihren Kleidern, aber sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Sie fühlte
etwas Rauhes an der Haut ihrer Brüste und ihres Bauches, dann ließ er auch
schon wieder von ihr ab.
    »Das wirst du brauchen«, sagte er,
und seine Stimme hallte in ihrem Kopf, als hätte er in eine Schlucht gerufen.
»Jetzt kannst du sterben.«
    Jody empfand fast so etwas die
Dankbarkeit. Mit seiner Erlaubnis gab sie auf. Ihr Herzschlag verlangsamte
sich, stockte und setzte schließlich ganz aus.

 
2. KAPITEL
    Tod - die
Zweite
     
    Sie hörte über sich in der
Dunkelheit Insekten huschen, roch verbranntes Fleisch und fühlte, wie etwas
Schweres auf ihren Rücken drückte. O mein Gott, er hat mich lebendig begraben!
    Ihr Gesicht war gegen etwas
Hartes, Kaltes gepreßt - Stein, dachte sie, bis sie das Öl im Asphalt roch.
Panik übermannte sie, und sie versuchte verzweifelt,
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