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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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„Was tut ihr drei dort?“
    „Wir dichten“, erklärte der Fuchs, als sei es das Normalste auf der Welt. Natürlich, wenn man schon Dichter war ...
    „Aber wozu?“
    „Wir modifizieren das Gedicht über die Nacht“, führte Salandar aus. „Wir versuchen, noch mehr Feinheiten hineinzubringen und außerdem noch weitere Strophen zu schaffen.“
    „Mit einem sprechenden Kater?“
    „Einem Kater, der Philosophie studiert hat“, korrigierte mich Marius.
    „Schon gut. Aber warum in aller Welt tut ihr das?“
    Salandar grinste. „Wir schaffen einen Zauberspruch. Sozusagen einen Notnagel, wenn wir im Laufe der weiteren Ermittlungen hier möglicherweise in ungeahnte Verwicklungen geraten. Ein guter Reim ist immer hilfreich.“
    Ich nickte, immerhin hatte Salandar damit einen wunden Punkt bei mir getroffen.
    „Das heißt, wir führen die Angelegenheit hier zu Ende?“, folgerte ich.
    Salandar nickte. „Quasi als letzten großen Coup. Übrigens, wenn du den Cognac suchst: Er steht neben dem rechten oberen Bettpfosten.“
    „Hm.“
    6.
    Einige Zeit später hörten wir Stimmen aus einem anderen Teil des Landsitzes. Das ließ uns aufhorchen, da der Graf ein ausgesprochen ruhiger Zeitgenosse zu sein schien und sich der Geräuschpegel seiner Tochter meist ohnehin nur auf die Violinenmusik bezog. Nein, diesmal waren es ganz deutlich zwei oder drei Männerstimmen, die wir hörten. Der Graf, vielleicht Caspar und jemand Unbekanntes.
    Die drei am Schreibtisch verharrten reglos, ebenso Hagen und ich in den Sesseln mit den Cognacschwenkern in den Händen.
    „Besuch?“, flüsterte Hagen erstaunt.
    „Offenbar“, brummte ich. „Wollen wir nachsehen und eventuell den Grafen noch einmal in ein Gespräch verwickeln?“
    Salandar sah mich nachdenklich an.
    „Einverstanden“, entgegnete er. „Aber zieh dir bitte was an!“
    Gesagt, getan. Ich schlüpfte in Windeseile in Hemd und Hose, und wir trafen uns auf dem Gang des Flügels wieder, um gemeinsam den freundlich ausgetauschten Stimmen im Foyer entgegenzugehen.
    Welch böse Überraschung mich dort erwartete, hätte ich nie und nimmer zu ahnen vermocht.
    Denn dann kam der Alptraum über mich.
    Wie doch die Worte gefrieren, wenn man an unaussprechliche Schrecken der Vergangenheit zurückdenkt.
    Dort unten stand er, der feiste Mann mit den fettig zurückgekämmten Haaren, der Teufel, wie er lebend und lachend mit dem Grafen von Eulenbach ein Pläuschchen hielt, während sie wahrscheinlich darauf warteten, dass Caspar zum Essen läutete.
    Marten, der Alptraum aller schlaflosen Nächte, das Monster in meinem Leben, war zurückgekehrt, und er hatte mich gefunden. Hier, am Ende der Welt, in der Mitte des Nirgendwo.
    Wie unwirklich und betäubt ich mir vorkam!
    Ich vergaß mich. Hinfort waren die Schwäche, der Schmerz.
    Ich stürmte die Treppe hinunter auf meinen Todfeind zu, im Laufen einen der vielen an den Wänden zur Zierde aufgehängten Säbel mitreißend.
    „Bastard!“, donnerte ich ... glaubte ich zu donnern und stürzte mich auf den Magier.
    Seine Hände glühten auf, und der Säbel zerbrach in tausend Stücke. Scherben der Klinge zerschnitten meine Schulter, und ich taumelte. Jemand riss mich zu Boden, es war er Graf höchstselbst, und ich strampelte und strampelte, schlug um mich, während ich Marten lachen hörte.
    „Sieh an,“, höhnte er. „Der tapfere Soldat aus Belgien. Welch ein unsagbarer Zufall. Oder vielleicht auch nicht? Aus ist’s mit deinem Lebenslicht!“
    Die letzten Sätze waren ein Reim gewesen, ein Zauber! Blitze schossen auf mich und den Grafen zu, doch sie verpufften auf ihrem Weg flirrend in der Luft.
    „Hallo Marten“, sagte Salandar so gelassen, wie es sein Schauspieltalent hergab.
    Diesmal traf Marten das Erstaunen tiefer als bei seinem Wiedersehen mit mir.
    „Lasst mich los!“, brüllte ich, doch der Graf hielt mich mit beinahe übermenschlicher Stärke am Boden.
    „Geh mir aus dem Weg, Artifex!“, befahl Marten. „Wir wollen doch nicht, dass hier und heute ein Unglück geschieht.“
    Drohend langsam fuhr er fort: „Ich – werde – deinen – Freund – jetzt – töten!“
    Salandar machte einen Schritt und stellte sich vollends schützend vor mich.
    „Ich fürchte, dazu musst du an meiner Körpermasse vorbei“, stellte er fest.
    „Salandar, sei vernünftig, du würdest sterben. Sinnlos sterben“, versuchte Marten es noch einmal. Es klang auf eine gewisse Weise sogar glaubwürdig.
    „Vielleicht“, entgegnete Salandar
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