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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Autoren: Thilo Corzilius
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Jahre von Anfechtungen verschont geblieben. Da ich meine ehemaligen Logenbrüder einigermaßen verwirrt vorfand, nachdem ich sie zuerst mit meiner Rückkehr und später öffentlich mit den Machenschaften und dem Ableben ihres Primas konfrontiert hatte, fiel es mir relativ leicht, in die Leerstelle, die durch Martens Dahinscheiden entstanden war, vorzustoßen. Sämtliche magische Sicherungen, die er an seinen Räumlichkeiten und Dokumenten vorgenommen hatte, sind nichtig, seit ihr Konstrukteur nicht mehr unter den Lebenden weilt. Offenbar war es diesem machtbesessenen Kerl nicht in den Sinn gekommen, seine Aufzeichnungen, Akten und diverse gepflegte Briefwechsel könnten nach seinem Tode noch von Belang sein.
    Ein Irrtum, denn sie dienten meinen Zwecken hervorragend. Mithilfe der Papiere war es mir ohne Weiteres möglich, diverse Brüder davon zu überzeugen, dass man von Menschen verwaltetes arkanes Wirken nicht ohne Kontrolle durch höhere, prinzipientreuere Instanzen lassen sollte.
    Es gab Querelen innerhalb des Zirkels, vor allem von einer Sorge um die Außendarstellung gegenüber den anderen Circuli in Europa getrieben. Zum Glück hatte ich bereits genug von Marten einst traktierte Magier von meiner Idee überzeugt, sodass wir in der Lage waren, ihr Nachdruck zu verleihen.
    Dank hervorragender Verbindungen des Zirkels zur Obrigkeit gelang es uns schnell, ein Treffen mit Regierungsbeamten in Potsdam zu arrangieren und sie für unseren Vorschlag einzunehmen. König Friedrich Wilhelm sandte gar einen persönlichen Vertreter, dabei habe ich den preußischen Monarchen stets für ein wenig zu wirtschaftsversessen gehalten, als dass ihm arkane Angelegenheiten etwas bedeuten könnten. Aber schließlich ging es ja auch um machtpolitische Fragen, und wie wir alle wissen, munkelt man allerorts über die vorhandenen Tendenzen zu demokratischeren politischen Gefilden. Wir mögen den Franzosen zwar äußerst verschieden gegenüberstehen, aber ihre Ideen vor der Machtergreifung Napoleons hatten Hand und Fuß.
    Kurz und gut, es entsteht eine offizielle Behörde für arkane Angelegenheiten. Natürlich vertraulich und unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, jedoch tatsächlich mit staatlichem Rückhalt. Man hat uns Unterstützung bei der Korrespondenz mit dem Ausland zugesichert. Ich bin demnach sehr zuversichtlich, dass wir in ein paar Jahren eventuelle Gefahren, die von wahnsinnigen Einzelgängern wie Marten ausgehen, weitestgehend gebannt haben werden. Wir werden ein staatsergebenes System ausklügeln, das auch mächtige, widerspenstige Geister wie Marten zur Beachtung von Regeln zwingen wird.
    So muss ich euch mitteilen, dass ihr bei zukünftigen Überlegungen – so ihr denn tatsächlich nicht davon lassen könnt – auf meine Anwesenheit werdet verzichten müssen, da ich mich den nun genannten Tätigkeitsfeldern widmen werde. Allerdings würde ich euch gerne die Mithilfe an der Verwirklichung des Vorhabens anbieten. Ihr hättet ein Auskommen und würdet in etwa dem gleichen Geschäftsfeld nachkommen, dem wir uns bisher gewidmet haben: Ihr würdet Widerspenstige jagen … oder sagen wir besser: überzeugen.
    Überlegt es euch, das Angebot steht!
    Derweil bleibt mir wohl nur, euch zweien für die großartigen gemeinsamen Jahre zu danken. Ich denke, jeder von uns hat eine Menge über sich und diese wirre Welt, in der wir leben, lernen können. Hoffentlich ist der Aufenthalt in Eulenbach noch immer zu eurer Zufriedenheit (nicht, dass ihr verweichlicht) und ich wünsche euch, dass ihr – auf welche Weise auch immer – euren Weg machen werdet.
    Grüßt Anna, Maria und die Eulenbasch’schen Schwäne von mir!
    In ewiger freundschaftlicher Dankbarkeit,
    Salandar

    Musik ertönte des Nachts in der Ruine der alten Mühle.
    Doch nur, wer sich nahe an das zerstörte Bauwerk wagte, konnte die Melodie des alten Volksliedes vernehmen, die eine Flöte durch die Spalten und Lücken in den Holzwänden über die Harmonien eines Akkordeons legte.
    Eine schäbig gekleidete Frau mit fettigem, schwarzem Haar klatschte leise einen Takt. Ihre Gestalt schimmerte ein wenig in den verblassenden Farben, die der letzte Funke des Tages noch in den Raum zauberte. In dessen Mitte tanzten einige mit Moos bekleidete Kinder um die alte Längsachse, die im Stockwerk darunter einst die Mühlsteine zu ihrer müßigen Arbeit angetrieben hatte.
    Auf der ehemaligen Veranda der Mühle, die nur mehr halb zerborsten dalag – vermutlich zu Bruch gegangen im Zuge
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