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Landleben

Landleben

Titel: Landleben
Autoren: John Updike
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schwängerte Mary Lou Brumbach
    von nebenan, als sie erst siebzehn war, aber dann heiratete
    er sie, und somit war alles wieder in Ordnung – und am
    D-Day war das Baby schon in einem Wagen, den Mary Lou
    auf dem Weg zum Acme-Supermarkt und zurück, über
    die flachen Rinnen, in denen das Wasser von den Dächern
    zum Rinnstein floss, und über die Gehwegplatten schob,
    die von den Wurzeln der Rosskastanien angehoben wur-
    den und einen stolpern ließen, wenn man mit Rollschu-
    hen darüber fuhr. An heißen Sommerabenden drang der
    Lärm von Familienstreitigkeiten aus den mit Fliegengit-
    tern versehenen Fenstern der überfüllten Reihenhäuser
    auf der anderen Straßenseite herüber- der erhöhten Seite,
    zu der Zementstufen in den gefährlich nach außen geneig-
    ten Stützmauern führten. Aber es gab keine Scheidungen,
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    soweit Owen sich erinnern konnte. Die Stimmen wurden
    erhoben, Geschrei und Türen seh lagen hallten durch die
    Nachbarschaft, aber Scheidungen gab es anderswo, in Holly-
    wood und in New York, und sie waren tragische Skandale,
    denn sie führten zu dem, was niemand und mit Sicherheit
    kein Kind wollte: ein kaputtes Zuhause. Schon der Aus-
    druck hatte einen sündigen, schrecklichen Klang und den
    aschenen Geschmack des Unglücks, wie die zerbombten
    und rauchenden Häuser, die in den Wochenschauen von
    Fox Movietone im Scheherazade, dem Lichtspieltheater
    im Ort, gezeigt wurden. Die Welt war voller Zerstörung
    und Übel, und allein die Vereinigten Staaten, so schien es,
    konnten sie wieder in Ordnung bringen. Das Land war im
    Krieg, und in Owens Phantasie war das unbebaute Grund-
    stück vor seinem e
    F nster ein von Unkraut überwucherter
    Bombenkrater.
    Die ursprüngliche Weide, von der Willow den Namen
    hatte, lebte noch und wurde wie ein alter Würdenträger
    umhegt, mit Injektionen von Pestiziden und Düngemit-
    teln, die in ihre Wurzeln gegeben wurden, nachdem man
    mit einer Brechstange Löcher hineingetrieben hatte; sie
    stammte aus der Zeit, als dort eine Papiermühle mit einem
    Wasserrad gewesen war, und ein Teich mit Forellen und
    eine Rennbahn, auf der Trabrennen stattgefunden hatten,
    bevor auf dem ebenen, niedrig liegenden Gelände nörd-
    lich des Pike ein Netz von Straßen angelegt wurde. Owens
    Haus – eigentlich nicht Owens Haus, auch nicht das seiner
    Eltern, sondern es gehörte den Eltern seiner Mutter, Isaac
    und Anna Rausch – war eines der älteren und größeren an
    der Mifflin Avenue; sein Großvater hatte es gekauft, als
    er gedacht hatte, er sei reich vom Tabakanbau im Ersten
    Weltkrieg. Er verkaufte seine Farm und zog in die zehn

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    Meilen entfernte neue, beliebte Gemeinde Willow. Als
    dann die Depression kam, schrumpften seine Ersparnisse
    zusammen, und seine Tochter zog mit ihrem Mann und ih-
    rem Kind ein. Das eine Paar hatte ein Haus, das andere die
    Möglichkeit, Geld zu verdienen. Owens Vater war Buch-
    halter bei einer der Strickwarenfabriken in Alton. Owens
    damals noch schlanke Mutter mit dem kastanienroten Haar
    arbeitete in einem Kaufhaus in Alton in der Stoffabteilung,
    bis ihr kleiner Sohn ihr ein schlechtes Gewissen verursach-
    te: Schluchzend lief er auf der Mifflin Avenue hinter ihr
    her, als sie zur Straßenbahn ging; sie gab die Stelle auf, um
    mehr Zeit für ihn zu haben. Sein Vater, Floyd Mackenzie,
    kam aus Maryland. Owen war nach einem kränklichen
    Großvater genannt worden, der vor seiner Geburt gestorben
    war, aber, Familiengeschichten zufolge, etwas Funkelndes
    gehabt hatte und einen erfinderischen Kopf, was sie für
    schottisch hielten. Er besaß in Mt. Airy eine Eisenwaren-
    handlung, dieser ursprüngliche Owen, und hatte in seiner
    Freizeit Erfindungen gemacht, Verbesserungen an den Ge-
    räten, die er verkaufte – einen Unkrautjäter, den man be-
    dienen konnte, ohne sich zu bücken, eine Heckenschere,
    die so konstruiert war, dass sich das Gelenk sehr viel leichter
    bewegen ließ –, aber keine Firma hatte je die Herstellung
    dieser Erfindungen übernommen und ihn reich gemacht.
    Er starb bankrott und tuberkulosekrank. Doch ein Funke
    seiner Hoffnungen, die harte Welt überlisten zu können,
    ging auf seinen Enkel über. Die Mackenzies waren nicht
    reich, aber sie waren schlau, findig. Owens Vater sagte zu
    ihm: «Du schlägst meinem Vater nach. Du hast seine intel-
    lektuelle Neugier. Er saß gern da und dachte darüber nach,
    wie bestimmte Dinge funktionieren. Ich habe mich so et-
    was nie gefragt, nur, wo mein nächster
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