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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos
Autoren: Jo Clayton
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… Seit wir Jaydugar verlassen haben, habe ich nicht mehr von den Hunden geträumt.“
    Er wischte ihre Hände beiseite und setzte sich auf. „Danke, Lee.“ Er streckte sich und gähnte und lehnte sich dann an die Wand zurück; seine Blicke erforschten ihr Gesicht. „Wir sind also noch immer von ihnen losgerissen?“
    „Mhhmm.“ Sie tippte mit dem Zeigefinger gegen ihre Schläfe und rief das geisterhafte Klingen hervor. „Ich glaube, sie werden mich immer wieder aufspüren – solange ich das Diadem trage.“
    „Wirklich ein erfreulicher Gedanke.“
    „Ich muß nur immer schnell genug laufen.“
    „Jemand kommt.“ Die piepsige helle Stimme fiel in die Unterhaltung ein und zog ihre Blicke zu dem Kinderbett hinüber. „Und noch jemand.“ Der kleine Kopf des Sprechers, dessen aufmerksame Lauscher unstet hin und her zuckten, schmiegte sich zwischen winzige, schwarze Pfoten, die sich am Fußende des Kinderbettes festhielten; die dunklen Augen glitzerten.
    Aleytys schob ihre Finger durch ihr zerzaustes Haar. „Maissa …“ Sie gähnte und rieb über ihr Gesicht. „Es geht also los.“
    Stavver stand auf; sein Blick war nach innen gerichtet, sein Gesicht eine angespannte Maske, die ein Gefühl des Unbehagens und aufgeblähten Zorn ausstrahlte. Zorn über sich selbst, über Maissa, über die ganze Situation, die ihn zwang, sich den Launen anderer zu unterwerfen, und Zorn über Aleytys, weil sie Gefühle in ihm geweckt hatte, die eine Verantwortung auf seine widerstrebenden Schultern gelegt hatte.
    Der Batikstreifen, den er um seine Lenden trug, rutschte unter dem breiten Ledergürtel vor, begann sich abzuwickeln. Er stieß einen komplizierten Fluch in einer Sprache aus, die Aleytys noch nie gehört hatte, zog ihn zurück und richtete den Gürtel neu, um ihn an Ort und Stelle zu halten. „Maissa wird von uns erwarten, daß wir in der Schleuse sind“, knurrte er. „Lee, weißt du noch, was ich dir gesagt habe? Tu nur, was sie sagt, klar?“
    Aleytys zuckte mit den Schultern. Die kunstvollen blauen Tätowierungen auf ihren Brüsten bewegten und kräuselten sich unter dieser Bewegung. „Ich hab’s gehört“, sagte sie knapp. „Du mußt mich nicht immer wieder erinnern.“
    Er musterte sie traurig. „Du hast ein Temperament, Lee. Ich, oh, zur Hölle.“ Er verließ den Raum, ohne darauf zu achten, ob sie ihm folgte.
    Aleytys seufzte und strich das Tuch über ihren Hüften glatt. „Nimm mich mit.“ Beim Klang der Stimme des Sprechers fuhr Aleytys zusammen; sie drehte sich um. Die dreifingrigen, schwarzen Pfoten winkten aufgeregt durch die Luft. Sie hob ihn hoch, dann sah sie nach, ob Sharl noch schlief. Sie berührte die weiche Wange ihres Sohnes; Liebe durchströmte ihren Körper, und für einen kurzen Augenblick vergaß sie die komplizierte und gefährliche Situation, die sie erwartete.
    Seufzend schob sie den Sprecher auf ihre Schulter, dann verließ sie zögernd die Kabine. Draußen im Korridor ließ sie ihre Finger an seinem Rückgrat auf und ab gleiten und lachte, als sein zufriedenes Schnurren in ihren Ohren rollte. „Hast du einen Namen, Kleiner?“
    „Namen?“ Warm spürte sie seinen Atem an ihrem Ohr.
    „Keinen Namen? Dann nenne ich dich Olelo. Du bist Olelo. Verstehst du?“
    „Olelo.“ Der Sprecher probierte den Klang und freute sich darüber. „Olelo. Ich: Olelo. Olelo.“ Die Silben drehten sich in seinem Mund, als fände er sie schmackhaft. „Sprecher sagt dir seinen Dank für die Namensgebung, Schwester.“
    Aleytys zuckte leicht zusammen, und das hätte das Tier fast aus dem Gleichgewicht gebracht; der plötzliche Klangwechsel in der Piepsstimme hatte sie überrascht.
    „Aha! Ich nehme an, ich werde mich daran gewöhnen. Kein Dank nötig, Lakoe-heai. Es ist nur eine Sache der Bequemlichkeit. Etwas sehr Geringfügiges.“
    „Namensgebung ist nichts Geringfügiges, Schwester. Das Geben eines Namens schickt kleine Wellen durch die Zeit – wie ein ins Wasser geworfener Stein. Gib einen Namen niemals leichtfertig.“ Der Sprecher stieß ein winziges Kichern aus; außerhalb des Schiffes wurde es vom Donnergrollen wiederholt. „Aber du hast dennoch einen guten Namen gegeben, und wir danken dir für das Geschenk.“
    Das Gefühl ihrer Präsenz wich zurück, bis Aleytys das Tier wieder an ihrem Ohr schnurren hörte. Sie riß ihre Gedanken von diesem neuen Rätsel los und marschierte entschlossen den Korridor entlang zur Schleuse.
    Die Hand auf dem kalten Metall über der Finger-Taste,
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