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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos
Autoren: Jo Clayton
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nichts daraus. Gibt es einen Zweck, dem wir dienen?“
    Der kleine Kopf lehnte sich wieder gegen ihre Handfläche. „Nicht einen, sondern vier.“
    Sie gluckste. „Vier aus einem. Sparsam.“ Dann wurde sie ernst. „Einer von uns – einer wird töten.“
    „Wir hören. Es ist bekannt. Es ist schon Blut da.“
    „Ah.“ Die Freude in ihr wurde bitter. „Ich fühle, daß es mehr werden wird. Es ekelt mich an.“
    „Nicht dein Werk. Vergiß es. Leben und Tod sind Teile des Ganzen, eins, das ins andere überfließt, Tod und Leben.“ Der Sprecher fuhr mit seinen kleinen, schwarzen Händen über seinen steifen, federnden Schnauzbart.
    „Ah.“ Sie zog den Atem tief in sich hinein, weitete ihren Bauch, dann ließ sie die Luft in kleinen Portionen heraus, bis nichts mehr kam. Schweigend saß sie da; ihr war warm: die energische Zustimmung der Lakoe-heai. Warm trotz des dichter werdenden Nebels, der wieder in Regen auszubrechen drohte, und sie war froh, außerhalb des künstlichen Mutterleibs des Schiffes zu sein, froh, die Erde und das Leben der Welt zu berühren. Wieder wurde sie sich der komplizierten Hierarchie der Gerüche bewußt, die zu der Verflechtung von Lebensfunken paßten. Sie stiegen in einem glitzernden Crescendo bis zu den Wolken hinauf, wo unsichtbar Vögel kreisten und zwischen den in strahlend bunten Wirbeln über den Himmel ausgebreiteten Luftbakterien aufstiegen.
    Nach einer träumerischen, zeitlosen Weile seufzte sie und bewegte sich. „Dann darf ich eine Gikena spielen?“
    „Schwester.“ Die kleine Stimme glänzte silbern in ihren Ohren. „Sei, was du bist.“
    Sie runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht.“
    Plötzlich kreiste fröhliches Lachen um sie herum, im Donner verborgen, der durch die Wolken dröhnte, von einem lärmenden Vergnügen erfüllt, das Bilder von wild durch die helle Frühlingsluft tanzenden Seifenblasen in ihre Gedanken projizierte. Das Sprechertier kuschelte sich an ihren Bauch, als Reaktion auf die Kräfte, die wild um sie herumwirbelten, zuckten die Lauscher. Die piepsige Stimme sprach erneut, voller Vergnügen: „Schwester, du bist eine geborene Gikena.“
    „Aber ich bin nicht auf dieser Welt geboren.“
    „Schwester.“
    Das Wort hatte plötzlich eine Bedeutung für sie. „Du sagst, wir sind verwandt?“
    „Schwester.“
    Verträumt schaute Aleytys auf das winzige Tier, das auf ihrem Bauch zu einer Kugel aus weißem und rotbraunem Fell zusammengekugelt war, den Kopf zurückgelehnt, so daß die Blicke aus den schwarzen Augen die ihren trafen; die intelligenten Augen in dem tierischen Gesicht waren verblüffend. Sie seufzte und schob ihre Hand unter ihn, um ihn wieder auf den Boden hinunterzusetzen.
    Winzige, schwarze Fingerchen schlossen sich um ihren Daumen. „Behalte den Sprecher. Er ist wichtig für eine Gikena. Behalte ihn bei dir, solange du auf unseren Pfaden gehst.“
    „Ich danke euch, Lakoe-heai.“ Sie stolperte ein wenig über dieses Wort, wiederholte es. „Lakoe-heai. Ich segne euch für eure Freundschaft.“ Sie kuschelte den Sprecher an ihre Brust, rappelte sich auf die Füße, wankte, weil ihre Beine steif geworden waren, spürte die Anwesenheiten besitzergreifend um sie herumkreisen … Als sie auf das Schiff zustolperte, fühlte sie, wie sie sich zurückzogen, und zitterte vor plötzlicher Kälte. Dann stellte sie ihren Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter, und die Präsenz war nur mehr ein vages Säuseln in ihrem Bewußtsein, eine Andeutung von Interesse, so fern, daß sie es nur fühlen konnte, wenn sie ihr Bewußtsein weit, bis zum Horizont, hinauswarf.
    Still und glücklich, fast in Trance, kletterte sie schwerfällig die Leiter hinauf; der Sprecher behinderte sie, bis er auf ihre Schulter kletterte und sich an ihrem Haar festhielt, so daß ihre Hände frei waren. Als sie in die Schleuse stieg, fiel der Regen wieder in undurchdringlichen Schleiern, die wie behäbige, schmerzende Hände über die Nerven spielten.
    Stavver drückte den Daumen auf die Taste, und die Leiter glitt wieder zurück. „Nun?“
    „Ja.“ Sie schob sich an ihm vorbei, Öffnete die innere Schleuse und trat gebückt ins Innere des Schiffes.
    Stavver nahm das zurückgelassene Batiktuch auf und schloß die äußere Iris. In der Kabine holte er sie ein, als sie sich über das improvisierte Kinderbett ihres Sohnes beugte und das kleine, pelzige Tierchen neben das schlafende Baby setzte.
    „Bist du verrückt?“ Er trat an ihr vorbei und griff nach dem
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