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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos
Autoren: Jo Clayton
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und riß an den Stricken.
    Kale blickte sie an und ging zu Aleytys hinüber, während seine Brüder Führungsseile um die Hälse der Pferde banden und sich zum Aufbruch bereitmachten. „Ich möchte, daß du verstehst, Aleytys.“
    „Was macht das für einen Unterschied?“
    Sie sah den Schweißschimmer, der seine Stirn bedeckte. Er wandte seinen Blick ab, die Zungenspitze zog die verstärkte Kurve der Oberlippe nach; er sah kurz auf Maissa, die noch immer komplizierte Beschimpfungen kreischte, auf den kalt schweigenden Stavver, dann kehrte sein Blick auf ihr Gesicht zurück.
    „Beinahe tausend Jahre Geschichte, Aleytys. Gikena. In unsere Köpfe gehämmert. Außerdem habe ich …“ Er zögerte. „Ich habe Respekt vor dir, Aleytys.“
    „Respekt!“
    „Wenn du das nicht akzeptieren kannst, sagen wir: Ich mag dich. Oder sagen wir: Wir teilen eine gemeinsame Wertschätzung für Lebewesen.“
    „Schon gut.“ Eine Brise verirrte sich unter die Bäume und blies ein Gewirr von Haaren vor ihr Gesicht. Sie zog die Nase kraus und versuchte, die kitzelnde Masse aus dem Gesicht zu bekommen. Er fegte sie zurück, steckte die einzelnen Strähnen hinter ihr Ohr, dann ließ er sich vor ihr auf den Boden nieder.
    Mit gekreuzten Beinen saß er da, die Blicke auf ihre Knie konzentriert; ruhig sagte er: „Es gibt eine Menge, was du über Lamarchos nicht weißt.“
    „Ich habe vor etwa zwanzig Minuten damit angefangen, das zu begreifen.“
    Er zupfte an dem drahtigen Gras herum, zog einzelne Halme heraus, kaute an der zarten, weißen Knolle, zerfaserte dann das Grün. „Gikenas sind selten. Und selbst wenn eine kommt, so bleibt sie außerhalb des Lebensstromes.“ Er hob den Kopf, lächelte sie an. „Du weißt, wie die Frauen hier gestellt sind?“
    „Ich weiß; ich würde es auf dieser Welt nicht lange aushalten.“
    „Das bezweifle ich.“ Er schüttelte den Kopf, saß schweigend da, warf die grünen Faser-Stückchen auf ihre staubigen Zehen. „Es ist vielleicht gut, daß du fortgehst. Ich kann sehen, daß du unser ruhiges Leben in ein Schlachtfeld verwandeln würdest.“ Der Schweiß war wieder da und sickerte neben den tiefen Krähenfüßen herunter. „Ich weiß nicht, wie gut ich … ach, egal. Frauen kümmern sich um die Hausaltäre, aber Männer dienen den Poaku und bewahren die Schreine der Lakoe-heai. Wie mein Vater. Besonders die großen, die heiligen Steine.“ Er starrte in den Schatten unter den Bäumen, sah Dinge aus seinen Erinnerungen, die ihn sich unbehaglich bewegen und die Beine verlagern ließen.
    „Die großen Poaku. Sie bleiben in den Schreinen, bleiben in ihren Ländern, bei ihren Sippen; um ihnen zu dienen. Die Seele-im-Flug wurde von der Wolfssippe verehrt. Sie war der Sinn unseres Lebens, der zentrale Punkt unseres Daseins – dem Stein zu dienen, für die Geschenke zu sorgen und die Ländereien und die Pferde, die für die Seele-im-Flug gebrandmarkt waren. Als Gegenleistung diente der Stein als Verbindung zwischen dem Sippenoberhaupt und den Lakoe-heai. Ich erinnere mich an Zeiten, da heilte er, an Zeiten, da er in der großen Halle lag und leise vor sich hin summte, Energienetze spann, die kein Mensch außer meinem Vater lesen konnte. Die Sippe Wolf diente Jahr für Jahr, bis sich die Jahre zu Jahrhunderten addiert hatten. Wir besaßen nichts, benutzten jedoch alles, und jeder hatte einen Poaku, um die Karkesh-Klinge für die Blutweihe zu kaufen.“
    Aleytys schaute über seinen Kopf hinweg auf seine Brüder, beobachtete, wie sie die Pferde auf die Lichtung führten und stehenblieben und auf Kale warteten. Kale verfiel in Schweigen, als zögere er fortzufahren. „Deine Brüder sind zum Aufbruch bereit“, sagte sie.
    „Sie können warten.“ Er starrte zu den Schatten hin, grübelte. „Mein Vater hatte einen jüngeren Bruder. Er wurde … die Schiffe der Karkiskya … sie legten einen Bann auf ihn. Er bat den Kapuna …“ – Kale deutete mit dem Kopf zu dem weißhaarigen Mann hin, der den Poaku Seele-im-Flug in einen besonders bestickten Beutel legte – „… ihm eine Passage auf einem Schiff zu kaufen und ihn zu den Sternen reisen zu lassen.“ Kaie lachte. „Zu sagen, mein Vater hätte nicht verstanden, hieße, eine Felskatze ein niedliches Kätzchen zu nennen. Außerdem besaßen wir selber nichts. Alles gehört dem Poaku. Deshalb …“ Kaie verfiel wieder in Schweigen. Er warf den Kopf zurück und blickte zu den Farbsträhnen und -streifen hinauf. „Ich wüßte gerne …“
    „Du
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