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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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rannte durch die Menge nach vorne. Kluftinger und Markus hasteten ihm hinterher, begleitet von den geschockten Blicken der Mitspieler.
    Kurz bevor Ludger die offene Bühne erreichte, stellte ihm jemand ein Bein, er stolperte und fiel hin. Dabei glitt ihm das Handy aus der Hand und landete mitten auf der Bühne. Der Kommissar hechtete auf den Mann und versuchte, ihn davon abzuhalten, das Mobiltelefon zu greifen. Doch Ludger hatte es bereits mit den Fingerspitzen erreicht und robbte mit Kluftinger auf dem Rücken weiter nach vorn. Mit aller Kraft versuchte der Kommissar, ihn am Boden zu halten, doch der Mann war zu stark. Der hatte das Handy schon fast – da trat ihm jemand mit dem Fuß auf die Hand. Kluftinger sah nach oben: Es war Martin Langhammer. Ohne zu zögern machte der Kommissar einen Satz nach vorne, griff sich das Handy und richtete sich auf.

Noch 1 Minute, 12 Sekunden
    Erst in diesem Moment bemerkte er, dass es totenstill war. Nicht nur die Augen der Spieler, auch die der Zuschauer waren allesamt auf ihn gerichtet. Sofort war ihm klar, dass er die Situation retten musste. Nicht des Spiels wegen, sondern vor allem, um eine Panik zu verhindern. Wie ferngesteuert öffnete er den Mund und sagte: »Wohlan, so machet die Gasse frei für den Schützen.« Dann drehte er sich um und rannte nach hinten. Das wirkte auf die Spieler wie ein Befreiungsschlag, denn sie fuhren, etwas unsicher zunächst, mit ihrem Text fort.
    Als er wieder hinter der Bühne stand, kam Markus zu ihm.
    »Kennst du dich damit aus?«, fragte der Kommissar und streckte seinem Sohn das Handy hin. »Wir müssen ins Telefonbuch. Schnell, wir haben nur noch zwei Minuten.«
    Markus nickte und nahm das Handy an sich. Während er darauf herumdrückte, wählte Kluftinger auf seinem Mobiltelefon Yildrims Nummer.
    »Ich hab’s, ich hab das Handy«, sagte der Kommissar atemlos. »Was soll ich wählen?«
    Gleichzeitig gab ihm sein Sohn das Handy zurück. Zwei Einträge standen im Telefonbuch:
    Omadan und Raftan.
    »Was? Soll? Ich? Wählen?«, schrie Kluftinger mit sich überschlagender Stimme.
    »Ich weiß es noch nicht, es sind andere Begriffe als bei unserem Handy. Die Zeit läuft uns davon«, entgegnete Yildrim verzweifelt. »Nehmen Sie einfach eines der beiden. Es sind nur noch dreißig Sekunden und eine Fünfzig-Fünfzig-Chance ist besser als gar nichts. Gott steh Ihnen bei.«

Noch 23 Sekunden
    Schweiß rann dem Kommissar über die Stirn, während er wie paralysiert auf das Handy starrte. Was sollte er nehmen? Menschenleben hingen von dieser Entscheidung ab. Er blickte zu Markus, der völlig ruhig wirkte und ihm zunickte. Da fasste sich Kluftinger ein Herz, wählte den zweiten Eintrag und drückte die Wahltaste.
    Noch 7 Sekunden
    »Verbindung wird aufgebaut«, erschien auf dem Display. In diesem Moment rief Yildrim hysterisch: »Ich hab’s, es ist Raftan.«
    Kluftingers Kiefer klappte nach unten. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Noch einmal sah er auf das Handy, das in seiner zitternden Hand lag. Er hatte richtig gewählt. Es war vorbei.
    Der Apfel ist gefallen, er hat geschossen.
    Ohrenbetäubender Lärm drang von der Bühne zu ihnen herüber. Jubelschreie der Spieler mischten sich mit Sirenen und dem Rattern eines Hubschraubers. Der Kommissar und sein Sohn blickten zur Bühne: Tatsächlich: In diesem Moment fuhr eine ganze Polizeistaffel mit Blaulicht und quietschenden Reifen auf die Bühne. Dann brach das Chaos los.
    Doch Kluftinger nahm davon kaum noch Notiz. Er sackte förmlich in sich zusammen, konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Er war kurz davor, sich zu übergeben. Markus kniete sich neben ihn: »Du bist … ein unglaublich wilder Hund, Vatter.« Kluftinger entgingen nicht die Tränen in den Augen seines Sohnes.
    Ein Schreien neben ihnen ließ sie herumfahren: Erika kam in vollem Lauf auf sie zu, ihr Gesicht war angstverzerrt. »Mein Gott, was ist mit dir, bist du verletzt?«, fragte sie mit tränenerstickter Stimme. Kluftinger nahm alle Kraft zusammen, um aufzustehen und ihr so zu beweisen, dass ihm nichts fehlte. Jedenfalls nicht körperlich. Als er stand, sah er seinen Vater auf sich zu humpeln. Als er ihn erreicht hatte, legte er seinem Sohn die Hand auf die Schulter und flüsterte: »Du bist ein wilder Hund.«
    Ein warmes Gefühl breitete sich in Kluftingers Magen aus. Niemand war verletzt worden, erst jetzt sickerte diese Erkenntnis in sein Bewusstsein durch. Niemand außer dem Attentäter … der Attentäter! Wo war
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