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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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gleich reagierte, packte er ihn an der Schulter und schüttelte ihn: »Vatter, reiß dich zusammen. Wo müssen wir suchen?«
    »He, was ist denn hier los, streitet’s doch nicht schon wieder, Buben.« Kluftinger senior war unbemerkt zu ihnen getreten. »Ihr müsst auf die Bühne.«
    Sie sahen ihn an, als hätte er ihnen gerade gebeichtet, er sei der Attentäter. Dann erklärte Kluftinger ihm mit knappen Worten die Situation. Doch sein Vater schien nicht verstehen zu wollen. »Spinnst du? Hast du zu viel Bier erwischt?«
    »Nein, es stimmt, glaub mir. Bitte. Nur dieses eine Mal.«
    Sie sahen sich ein paar Sekunden lang in die Augen, dann fasste sein Vater einen Entschluss. »Du suchst da«, sagte er, und zeigte nach links, »du da«, wies er Markus an, »und ich geh hier lang. Wie viel Zeit haben wir?«
    »Neunzehn Minuten.«
    Kluftinger senior wurde blass. »O Gott. Lasst uns anfangen.«
    »Gut, wir trennen uns.«
    »Was? Sie trennen sich?« Zu Kluftingers Leidwesen gesellte sich nun auch noch Martin Langhammer zu ihnen. »Das ist doch keine Lösung. Werfen Sie doch nicht gleich alles weg. Es gibt sicher einen anderen Weg, mein Lieber. Erika würde es das Herz brechen.«
    Der Kommissar überlegte einen Moment, ob er auch ihn einweihen sollte, doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Stattdessen sagte er mit aller Schärfe, die er noch aufbringen konnte: »Finden Sie unsere Frauen und meine Mutter, und bringen Sie sie hier weg, hören Sie?« Und als der Doktor keine Anstalten machte, sich zu bewegen, bellte er noch ein »Jetzt!« hinterher. Ohne zu zögern machte der Doktor auf dem Absatz kehrt und preschte los. Das war auch der Startschuss für die drei Kluftingers, die jetzt ebenfalls losliefen.
    Ohne nachzudenken rannte Kluftinger in die von seinem Vater gewiesene Richtung. Panik ergriff ihn und verhinderte jeden klaren Gedanken. Als er die Tribüne erblickte, hatte er eine Idee. Er hastete in die Katakomben. Wenn die Attentäter die gleiche Taktik anwandten wie in Innsbruck, hatten sie den Sprengsatz aller Wahrscheinlichkeit nach dort versteckt. Aber wie konnte er sicher sein? Er wusste ja nicht einmal, wonach er genau suchen musste. Und was, wenn sie die Bombe finden würden? Wer sollte sie entschärfen?
    In diesem Moment stieß er mit dem Bürgermeister zusammen, der gerade aus einer der Türen zum Gang kam. Ohne Umschweife fragte er ihn keuchend: »Wo müsste man ansetzen, um die Tribüne hier zum Einsturz zu bringen?«
    Hösch sah ihn mit großen Augen an und zwirbelte seinen schwarzen Schnauzbart. »Jetzt hör mit der Spinnerei auf, du musst auf die Bühne, der Apfelsch…«
    »Herrgottnochmal, hier ist eine Bombe. Sag mir, wo sie sein könnte, sonst geht dein verdammtes Dorf den Bach runter.«
    Höschs Mund öffnete sich, doch es kam kein Laut heraus. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er rang nach Luft. »Wir … müssen sofort … die Leute rausschaffen.«
    »Nein!«, kreischte Kluftinger. »Auf keinen Fall. Sonst geht das Ding hoch.«
    Der Bürgermeister stützte sich an der Wand ab. »Aber … wer … wer soll hier eine Bombe legen?«
    Kluftinger gab auf. »Ich hab jetzt keine Zeit für den Scheiß«, schimpfte er und rannte wieder los. In diesem Moment klingelte sein Handy. Im Laufen nahm Kluftinger den Anruf an. Es war Yildrim.
    »Hören Sie, Kluftinger, Sie müssen an strukturell wichtigen Gebäudeteilen suchen. Pfeilern, Stützen und dergleichen, Sie …«
    »So weit bin ich auch schon«, unterbrach ihn der Kommissar.
    Aus dem Lautsprecher über ihm drangen jetzt Textfetzen an sein Ohr: Die Apfelschussszene hatte bereits begonnen. Praktisch alle Spieler waren nun auf der Bühne. Kluftingers Magen krampfte sich zusammen. Der Zeitpunkt für die Detonation war mit Bedacht gewählt.
    Wer war’s? Ich will es wissen.
    Gesslers Satz dröhnte über die Tribüne und durch die Katakomben. Das Publikum hielt den Atem an. Kluftinger wollte Yildrim gerade etwas erwidern, da hielt er inne. Gesslers schneidende Frage hallte in seinem Kopf wider.
    Wer bist du?
    Und dann fiel der Groschen. Wie Puzzleteile purzelten Stücke seiner Erinnerung in sein Bewusstsein. Er hatte sich so sehr darauf konzentriert, herauszufinden, wo der Sprengsatz deponiert worden war, dass er sich die entscheidende Frage gar nicht gestellt hatte.
    Gestrenger Herr, ich bin dein Waffenknecht.
    Auf einmal setzte sich alles zu einem Bild zusammen. Dieser einsame Spieler, den keiner kannte, der nichts von sich preisgab …
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