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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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kurzfristig umdisponiert. Schnell wechselt er das Thema.
    »Euer Haus in der Sternallee ist richtig anheimelnd, und deine Anneliese hat regelrechte Entertainer-Qualitäten.«
    »Sie ist es nicht gewöhnt, mehr als ein Glas zu trinken«, meine ich entschuldigend, »aber findest du nicht auch, sie sollte endlich eine Diät machen?«
    »Ist mir ehrlich gesagt nicht weiter aufgefallen. Sie gehört halt zu den fröhlichen Dicken, sicher tut sie dir gut.«
    Was soll das nun wieder heißen? Sie tut mir gut? Bin ich etwa depressiv oder zu dünn? Ich verabschiede mich von meinem Sohn und hoffe, daß er meinen Wink verstanden hat und sofort bei seiner Frau anruft.

2
    Es regnet ein wenig, ausnahmsweise sitzen Anneliese und ich beim Frühstück in der Küche. Sie hat sich richtig herausgeputzt, zum ersten Mal sehe ich außer dem Ehering einen kleinen blauen Saphir an ihrer Hand. Man müßte ihr allerdings mal sagen, daß sie ihre Fingernägel bei dem ständigen Graben und Jäten besser pflegen müßte. Ich bewundere vor allem eine Brosche, die mitten auf ihrem Busen prangt. Wenn Anneliese im Garten arbeitet, trägt sie wohlweislich keinen Schmuck und nur ihre ältesten Klamotten. Aber am heutigen Sonntag hat sie sich feingemacht oder sich zumindest Mühe gegeben. Sie hat nämlich versprochen, mich ausnahmsweise bei meinem täglichen Spaziergang im Schloßpark zu begleiten. Wenn es weiterregnet, hat sie aber einen guten Grund, sich zu drücken.
    Bereitwillig nestelt sie jetzt die Brosche von der geblümten Bluse – auf der dieses edle Stück natürlich nicht zur Geltung kommt –, um sie mir zu zeigen. Sowohl an der Brosche als auch an der Bluse klebt ein wenig Marmelade. Eigentlich könnte sich Anneliese die Serviette auf dem Schoß sparen, da ihr balkonartiger Busen jegliche Kleckerei erst einmal abfängt.
     
    Jahrelang war es mein Beruf, Antiquitäten aus Hinterlassenschaften aufzukaufen, den Preis zu schätzen und sie einem illustren Kundenkreis anzubieten. Antiker Schmuck ist mein Spezialgebiet, da macht mir keiner etwas vor. Annelieses Großmutter hatte diese Brosche zur Hochzeit erhalten, um die Jahrhundertwende wird sie wohl auch entstanden sein. Eine Muschelkamee mit dem Profil eines römischen Kriegers ist in eine blauemaillierte Fassung eingebettet, die mit winzigen Perlchen besetzt ist.
    »Ein dekoratives Stück«, stelle ich anerkennend fest, »paß bloß auf, daß du es nicht verlierst.«
    »Wieviel könnte man heutzutage dafür verlangen?« fragt sie, und in ihre Augen tritt jenes begehrliche Glitzern, das ich von meiner Kundschaft nur allzugut kenne: diese mühsam unterdrückte Gier, die sowohl Käufer als auch Anbieter überkommt.
    »Die Fassung ist auf der Rückseite ein wenig verbeult«, sage ich, »und der Goldanteil ist vergleichsweise gering, das mindert den Wert. Wenn du die Brosche privat verkaufen willst, könntest du etwa 500 Euro dafür fordern, wenn man etwas Vergleichbares in einem seriösen Geschäft erstehen möchte, kostet es sicherlich etwas mehr, denn die wollen ja daran verdienen.«
    In ihrem Gesicht spiegelt sich leichte Enttäuschung wider. Sie hat mit einem höheren Preis gerechnet, aber alter Schmuck ist bei jüngeren Frauen nicht mehr besonders in Mode.
    Ich tröste sie. »Familienschmuck verkauft man doch ohnedies nur, wenn man ziemlich pietätlos ist oder am Hungertuch nagt.«
    »Man muß den Wert kennen, wenn man das Erbe gerecht unter seinen Kindern verteilen will«, sagt Anneliese.
    Diese Sorgen habe ich nicht, denn bei mir gibt es nur Christian, der einen Anspruch auf meine Kronjuwelen hat.
    Geduldig erkläre ich ihr, daß man eine solche Brosche am besten am Revers einer schwarzen Jacke tragen sollte. Anneliese arrangiert zwar ihre Blumen mit traumwandlerischer Sicherheit, aber bei sich selbst versagt sie vollkommen.
    Sie scheint das ebenso zu empfinden, denn sie sagt ein wenig schüchtern: »Schon in der Schulzeit habe ich dich bewundert, weil du immer so hübsch angezogen warst. Dabei hatte deine Mutter bestimmt kein größeres Haushaltsbudget als meine. Und seitdem du auf deine alten Tage so gut verdient hast, bist du noch schicker geworden. Kannst ja auch tragen, was du willst – bei deiner Figur sieht alles eleganter aus als bei mir.«
    »Du bist eben von Natur aus etwas stattlicher als ich«, versichere ich, obwohl wir beide wissen, daß es Unsinn ist; in Wahrheit verputzt Anneliese pro Tag eine Tafel Schokolade.
     
    Gemeinsam erinnern wir uns oft an vergangene Zeiten:
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